Das Wirecard-Fiasco soll auch in Österreich Folgen haben, fordern die Grünen.

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Wien/Aschheim – In Deutschland konnte Wirecard offenbar jahrelang unentdeckt seine Bilanzen fälschen. Als eine der Ursachen wird deshalb über die Rolle der Deutschen Prüfungsstelle für Rechnungslegung (DPR) diskutiert, die schwach besetzt und mit wenig Kompetenzen Firmen prüft, die nicht als Finanzdienstleister eingestuft sind. Die Grünen fordern nun auch für Österreich eine stärkere Bilanz-Prüfstelle.

"Ich erwarte mir die Einleitung entsprechender Schritte seitens des Finanzministeriums zur Gründung einer unabhängigen Kontrollinstanz, die entweder in die FMA integriert oder als eigenständige Instanz geführt wird", so die grüne Finanz- und Kontrollsprecherin Nina Tomaselli. Denn die Österreichische Prüfstelle für Rechnungslegung (OePR) sei vor 7 Jahren nach deutschem Vorbild als privater Verein gegründet worden. Die Mitglieder kämen aus der Banken- und Finanzwelt, kritisiert die grüne Finanz- und Kontrollsprecherin Nina Tomaselli. Auch Österreich müsse jetzt die Lehren aus der Wirecard-Pleite ziehen.

"Österreich braucht eine unabhängige Bilanz-Prüfinstanz. Das Konzept der Selbstkontrolle ist gescheitert", sagt die Nationalratsabgeordnete. "Niemand würde den Hund auf die Wurst aufpassen lassen, das gilt umso mehr in der Finanzwelt". Nach der Megapleite in Deutschland könne man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.

Deutsche Aufsicht weist Kritik zurück

Der Chef der deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin, Felix Hufeld, hat sich derweil laut Teilnehmerkreisen bei einer Sitzung des Verwaltungsrats der Finanzaufsicht gegen Vorwürfe der Schlamperei im Zusammenhang mit der Wirecard-Pleite verteidigt. Er habe wegen der Rechtslage gar nicht bei der Wirecard-Bilanzprüfung eingreifen dürfen, sondern sich auf die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) verlassen müssen, sagte Hufeld am Montag nach Angaben von Teilnehmern. Auch habe es nicht an der BaFin, sondern an der Europäischen Zentralbank (EZB) gelegen, dass Wirecard nicht als Finanz-Holding eingestuft wurde. Ohne diese Einstufung hatte die Finanzaufsicht vergleichsweise wenig Kontrollrechte über den Konzern.

Teilnehmern zufolge sagte Hufeld, die BaFin habe Wirecard ursprünglich als Finanz-Holding eingestuft. "Dann hat Wirecard einige Umstrukturierungen vorgenommen. Daraufhin hat die EZB Wirecard als Technologieunternehmen eingestuft und nur die Tochter als Bank", fasste ein Teilnehmer Hufelds Äußerungen zusammen. Die dem Finanzministerum untergeordnete BaFin steht wegen des Wirecard-Skandals massiv unter Druck, Hufeld kämpft um seinen Job. Mehrere Oppositionspolitiker haben auch personelle Konsequenzen bei der Behörde gefordert.

Unternehmen droht Zerschlagung

Was das Schicksal der Firma betrifft, so rechnet Insolvenzverwalter Michael Jaffe mit einem Verkauf des Zahlungsabwicklers in Einzelteilen. "Es haben sich bereits eine Vielzahl von Investoren aus aller Welt gemeldet, die Interesse am Erwerb des Kerngeschäfts (oder) der davon unabhängigen und eigenständig erfolgreich am Markt agierenden Geschäftsbereiche haben", teilte Jaffe am Dienstagabend nach einer Sitzung des Gläubigerausschusses mit. Dazu gehören Insidern zufolge Finanzinvestoren, aber auch Rivalen wie die französische Worldline. Die Gläubiger hätten dabei auch grünes Licht für die Mandatierung von spezialisierten Investmentbanken gegeben, die sich um den Verkauf der einzelnen Firmenteile kümmern sollen, erklärte der Insolvenzverwalter.

Die US-Tochter Wirecard North America hatte sich bereits am Dienstag zum Verkauf gestellt. Wirecard hatte die ehemalige Citi Prepaid Card Services 2016 übernommen. Bisher sind außer der Muttergesellschaft aus Aschheim bei München kaum Tochterfirmen in die Insolvenz gegangen. Die Verkaufserlöse kämen damit den Gläubigern der Wirecard AG zugute. Auch die deutsche Wirecard Bank ist bisher nicht insolvent, die Finanzaufsicht BaFin hat dort einen Sonderbeauftragten bestellt, damit kein Geld an die Wirecard AG abfließt. "Auszahlungen an Händler und Kunden der Wirecard Bank werden ohne Einschränkungen ausgeführt", betonte Jaffe. (APA, Reuters, red, 1.7.2020)