Der neu entdeckte Exoplanet TOI 849 b ist etwas Besonderes. Er kreist so nah um seinen Stern, dass ein Jahr auf ihm nur 18 Stunden dauert und die Oberflächentemperatur 1.500 Grad Celsius beträgt.
Illustr.. University of Warwick/Mark Garlick

Ein neu entdeckter Exoplanet bietet die bislang einzigartige Gelegenheit, in das Innere eines fernen, fremden Planeten zu blicken, um seinen Aufbau zu studieren. Der Planet mit der Bezeichnung TOI 849 b in etwa 730 Lichtjahren Entfernung umkreist einen sonnenähnlichen Stern und besteht im Wesentlich aus dem etwa Neptun-großen Kern einer einst größeren Welt. Gefunden wurde er mithilfe des Transiting Exoplanet Survey Satellite (TESS), der Helligkeitsschwankungen von Sternen misst, die durch vorüberziehende Planeten verursacht werden. Astronomen vermuten, dass es sich bei TOI 849 b einst um einen (Möchtegern-)Gasriesen gehandelt hat, der entweder seiner Atmosphäre beraubt wurde oder bereits während seiner Entstehung keine Möglichkeit hatte, eine Gashülle zu entwickeln.

Großer Planet in der "Neptunwüste"

TOI 849 b ist ein äußerst seltsamer Planet in der sogenannten Neptunwüste. Der Begriff wird von Astronomen für eine Region in der Nähe von Sternen verwendet, in der Planeten mit einer Masse von Neptun oder größer eigentlich nicht zu finden sind. "Der Planet ist in Anbetracht seiner Masse ungewöhnlich nahe an seinem Stern. Bislang beobachteten wir noch nie einen Planeten dieser Größe mit solch kurzen Orbitalperioden", sagt David Armstrong von der University of Warwick (Großbritannien), Hauptautor der im Fachjournal "Nature" erschienenen Studie.

Ein vergleichbarer "verbotener" Exoplanet in der "Neptunwüste" wurde 2019 entdeckt; er umrundet seinen Stern in 1,8 Tagen. TOI 849 b dagegen umkreist sein Muttergestirn so nahe, dass ein Jahr nur 18 Stunden währt. Entsprechend heiß ist auch seine Oberfläche: Die Forscher kamen auf einen Wert von 1.500 Grad Celsius.

Klein, aber äußerst schwer

Den Wissenschaftern gelang es auch, die Masse und den Durchmesser des Exolaneten zu bestimmen: TOI 849 b ist demnach etwa 40-mal massereicher als die Erde, misst aber nur 3,4 Erddurchmesser. Das bedeutet, dass der Exoplanet eine außergewöhnlich hohe Dichte hat. Aufgrund dieser Daten gehen die Fortscher davon aus, dass TOI 849 b hauptsächlich aus Eisen, Fels und Wasser besteht, aber nur sehr wenig Wasserstoff und Helium besitzt.

"Eine so geringe Menge an Wasserstoff und Helium ist für einen so massiven Planeten wirklich erstaunlich. Wir würden erwarten, dass eine derart massereiche Welt bei ihrer Entstehung große Mengen dieser Gase eingefangen hat", sagt Koautor Christoph Mordasini von der Universität Bern, der federführend an der theoretischen Interpretation der Entdeckung beteiligt war. "Das lässt darauf schließen, dass es sich bei TOI 849 b um einen exponierten Planetenkern handelt", sagt Armstrong. "Es ist das erste Mal, dass ein intakter, freiliegender Kern eines Gasriesen um einen Stern entdeckt wurde."

Die rote Linie in der Grafik zeigt den evolutionären Weg eines simulierten Exoplaneten, der schließlich ähnliche Eigenschaften wie der tatsächliche Planet TOI 849 b aufweist. Der Abstand vom Stern (in Astronomischen Einheiten AU, das ist der mittlere Abstand zwischen Erde und Sonne) ist auf der X-Achse aufgetragen, der Radius des Planeten (in Jupiter-Radien) auf der Y-Achse. Die blau-roten Punkte zeigen andere vom Modell vorhergesagte Planeten. Die Erde und der Jupiter werden zum Vergleich an ihren Positionen gezeigt.
Grafik: University of Bern

Berner Modell liefert zwei Theorien

Nun stellt sich die Frage, wie der nunmehr "nackte" Gasriese seine Hülle verloren hat. Oder hat er womöglich nie eine besessen? Für die Deutung der Beobachtungen war die Universität Bern zuständig, wo seit 2003 das "Berner Modell der Entstehung und Entwicklung von Planeten" laufend weiterentwickelt wird. Auf der Basis dieses Modells können zwei Theorien formuliert werden, wie Mordasini erklärt: Entweder die Hülle ging verloren – oder sie war nie vorhanden.

"Die erste ist, dass der Exoplanet einst dem Jupiter ähnlich war, aber durch verschiedene Einflüsse fast das gesamte äußere Gas 'verloren' hat", so Mordasini. Dies könnte aufgrund gravitativer Kräften passiert sein, die die Hülle des Planeten gleichsam auseinandergerissen haben, weil der Planet extrem nahe an seinem Stern kreist. Auch eine Kollision mit einem anderen Planeten könnte das bewirken. Die großflächige Verdampfung der Atmosphäre könnte ebenfalls eine Rolle spielen, kann aber nicht allein für das gesamte "verlorene" Gas verantwortlich gemacht werden.

"Gescheiterter" Gasriese?

Alternativ könnte es sich bei TOI 849 b um einen "gescheiterten" Gasriesen handeln. "Nachdem sich der Kern einmal gebildet hatte, könnte etwas gänzlich anders abgelaufen sein als normalerweise, und der Kern hat nie eine massive Atmosphäre angesammelt. Dies hätte beispielsweise geschehen können, wenn in der protoplanetaren Scheibe, in der der Planet geboren wurde, eine Lücke im Gas entstanden wäre", so Mordasini. Der Grund dafür könnten gravitative Interaktionen zwischen der protoplanetaren Scheibe und dem Planeten sein, oder aber das Material in der Scheibe war zu dem Zeitpunkt erschöpft, wo normalerweise die Gasakkretion folgt.

"Unsere Entdeckung beweist, dass es solche Planeten gibt und wir sie aufspüren können. Dadurch haben wir die Möglichkeit, den Kern eines Planeten auf eine Weise zu untersuchen, die uns in unserem eigenen Sonnensystem nicht zur Verfügung steht", sagt Armstrong. (tberg, red, 4.7.2020)