Hier befindet sich gerade eine Laborkolonie der Schwarzen Gartenameise im Aufbau.
Foto: Daniel Schläppi

Der Beitrag von Neonicotinoiden zum Rückgang der Bienenbestände ist schon Gegenstand zahlreicher Studien gewesen. Da kommt es nicht überraschend, wenn nun Schweizer Forscher berichten, dass auch Ameisen – in der Welt der Insekten um wenige Ecken mit den Bienen verwandt – unter den hochgiftigen Insektiziden leiden. Besonders tückisch ist allerdings, dass die Wirkung zeitverzögert auftritt, berichtet ein Team der Universität Bern im Fachjournal "Nature Communications Biology".

Die Forscher um Daniel Schläppi vom Institut für Bienengesundheit sammelten für ihre Studie Ameisenköniginnen der Schwarzen Gartenameise (Lasius niger), der häufigsten Ameisenart in Mitteleuropa. Man findet sie in nicht zu trockenen Habitaten an Waldrändern ebenso wie in offenen Landschaften. Als sehr anpassungsfähiges Tier lebt sie auch in Gärten und Städten, wo sie sich unter Steinen, Baumrinde, im Rasen und in Mauerspalten verbirgt und auch in Häuser eindringt.

Kritisch wird's im zweiten Jahr

Anschließend beobachteten die Forscher im Labor während 64 Wochen Gründung und Entwicklung der Kolonien rings um die entführten Königinnen. Zu Beginn der ersten Überwinterung wiesen Kolonien, die chronisch einem Pestizid ausgesetzt waren, und Kolonien aus der unbehelligt gebliebenen Kontrollgruppe keine Unterschiede in der Größe auf. Im darauffolgenden Jahr jedoch wurde ersichtlich, dass die Kolonien der Pestizid-Gruppe signifikant weniger Arbeiterinnen umfassten.

Da eine große Anzahl an Arbeiterinnen ein entscheidender Faktor für den Erfolg einer Ameisenkolonie ist, gefährdet dies das Überleben. Und die Kolonien spielen ihrerseits eine Rolle in einem noch größeren Zusammenhang: "Wenn wir berücksichtigen, wie wichtig Ameisen für unsere Ökosysteme sind, wird klar, dass der Einsatz von Neonicotinoiden eine Bedrohung für unsere Umwelt darstellt", sagt Schläppi.

Ausgesprochen hartnäckige Substanzen

Das Neonicotinoid Thiamethoxam kommt in der Landwirtschaft zum Einsatz, um Schädlinge zu bekämpfen. Wie mehrere Studien bereits belegen konnten, schaden diese Substanzen aber auch Nützlingen, wie zum Beispiel Bienen. Und die Chemikalien sind hartnäckig und lange wirksam. "Aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften kontaminieren Neonicotinoid-Insektizide Böden und Grundwasser und können bereits in Gebieten nachgewiesen werden, in denen sie gar nicht eingesetzt werden", so die Forscher.

"Langzeiteffekte von Neonikotinoid-Insektiziden auf Ameisen sind alarmierend", sagte Peter Neumann vom Institut für Bienengesundheit der Universität Bern. "Unsere Studie zeigt beispielhaft, wie lange es dauern kann, bis die Auswirkungen solch geringer Rückstände an Agrar-Chemikalien, mit potenziell weitreichenden Konsequenzen, sichtbar werden."

Daher betonen die Autoren der Studie die Wichtigkeit, sowohl Ameisen als Modellorganismen zu berücksichtigen als auch die Langzeiteffekte bei zukünftigen Risikoabschätzungen einzubeziehen. Dadurch solle eine nachhaltigere Landwirtschaft dauerhaft gesichert werden. (APA, red, 1. 7. 2020)