Spielberg ist anders. Überall sonst in Österreich darf seit Mittwoch wieder nach Herzenslust gesportelt werden, auch in allen Kontakt- und Teamsportarten, auf Amateur- und Nachwuchsebene. Lockerungen, wo man hinschaut – abgesehen von Spielberg. Dort findet zum WM-Auftakt am Sonntag mit dem ersten von zwei Geisterrennen das wohl restriktivste Sportereignis aller Zeiten auf heimischem Boden statt. Die Schranken gehen runter statt rauf, die Formel 1 präsentiert sich als geschlossene Gesellschaft, als beschränkt, wenn man so will.

Klare Ansage.
Foto: APA/Scheriau

Beschränkt, das meint natürlich nicht dumm, sondern eingeschränkt, eingegrenzt. Die Corona-bedingten Auflagen und Vorkehrungen sind sonder Zahl. Das Gelände um den Red-Bull-Ring wird zur Hochsicherheitszone, Unbefugte kommen nicht einmal in die Nähe, Befugte werden immerhin nicht fahrend, aber laufend getestet.

Als die Vorschriften erstellt wurden, hatte die Covid-19-Lage zu größerer Sorge Anlass gegeben als jetzt, das mag einiges erklären. Andererseits können die Veranstalter mit einigen Einschränkungen ganz gut leben, etwa mit der sehr geringen Anzahl von Medienvertretern vor Ort. Nicht nur der STANDARD, der ansonsten regelmäßig für den Österreich-GP – und andere Rennen wie Budapest oder Monaco – akkreditiert ist, bekam vom "Projekt Spielberg" mitgeteilt, dass man "keine nationale Media-Akkreditierung anbieten" könne. So werde "den Anforderungen der aktuellen Situation Rechnung getragen".

ORF-Sportchef Trost sorgt sich um den Sportjournalismus.
Foto: Heribert CORN

Zwei Herzen

In der Brust von Hans-Peter Trost schlagen deshalb zwei Herzen. Das erste ist das Herz des ORF-Sportchefs, der sich auf die Berichterstattung aus Spielberg freut. Der ORF wird nicht nur Formel 1, sondern auch das Rahmenprogramm übertragen (Formel 2, Formel 3, Porsche Supercup), dazu kommen Dokumentationen etwa über Jochen Rindt, Niki Lauda und Ayrton Senna. Ab Freitag gibt es insgesamt gut 50 TV-Stunden Motorsport. "Das ist das Größte, was wir in der Fläche je gemacht haben."

Trost steht aber auch Sports Media Austria vor, der Vereinigung heimischer Sportjournalistinnen und -journalisten. Das erklärt sein zweites Herz. Sports Media Austria setzte sich für mehr Presse-Akkreditierungen in Spielberg ein, sogar der nicht unbedeutende Sportpresse-Weltverband AIPS wurde bemüht. Gebracht hat es genau gar nichts.

Inszenierung

Laut Trost handelt es sich um ein generelles und globales Problem, das sich keineswegs auf den Sport beschränkt. Auch in der Politik sind viele Protagonisten darauf aus, Inhalte selbst zu produzieren und zu verbreiten. Soziale Medien sind kein schlechter Transporter, doch auch klassische Medien (TV, Zeitungen) spielen oft mit. Lizenznehmer, die bezahlen, um senden zu dürfen, müssen sich an unzählige, in Handbüchern festgeschriebene Auflagen halten. Da sind etwa Kamerapositionen genau definiert oder bei Großevents festgehalten, dass Flitzer nicht gezeigt werden dürfen. Trost: "Journalisten sind oft Teil einer Inszenierung." Und viele haben kein Problem damit.

Die Formel 1 ist im Sport ein Message-Control-Vorreiter, und Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz als Herr des Rings in Spielberg ist der kongeniale Steigbügelhalter. Seit Jahren produziert Red Bull vornehmlich selbst, nämlich Events und Erfolge und Heroen, dazu Videos und Fotos von den Erfolgen und Interviews mit den Heroen. Das alles wird dann "zur Verfügung gestellt", alle profitieren, allen voran Red Bull, das mit der Strategie garantiert besser fährt als mit Inseraten.

Quo vadis?

Die desaströse Adria-Tennistour von Novak Djokovic, der auf Abstandsregeln pfiff und sich wie etliche andere mit dem Coronavirus infizierte, kam der Formel 1 zupass. "Würde da etwas Ähnliches passieren", sagt ORF-Sportchef Trost, "wäre das ein Riesenschaden." Andererseits sei "nicht alles Corona geschuldet", man müsse "eine ambivalente Sicht auf die Dinge" haben, sich fragen: "Wie sieht die Zukunft des Sportjournalismus aus?"

Die Formel 1 stellt sich und beantwortet ihre Fragen selbst. Kritik bleibt draußen, bleibt auf der Strecke. Der "Spielberg Media Room" ist rein virtuell, unter projekt-spielberg.com wird in kleinen Dosen offeriert, was das Journalistenherz begehren soll. Ein Klick auf "Download für redaktionelle Zwecke", und man ist bei redbullcontentpool.com gelandet. Schon schließt sich der Kreis. (Fritz Neumann, 2.7.2020)