Sessel nach oben, heißt es bereits eine Woche vor dem eigentlichen Schulschluss in manchen Bezirken Oberösterreichs.

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Am Mittwoch wurden in Österreich erstmals seit dem 16. April wieder mehr als 100 neue Coronavirus-Fälle innerhalb von 24 Stunden registriert. Und das just an dem Tag, an dem ein ganzes Bündel weiterer Lockerungen in Kraft getreten ist: So sind seit 1. Juli wieder alle Kontakt- und Teamsportarten wie Fußball und Basketball, aber auch Judo erlaubt. Auch die Maskenpflicht für Kellner ist gefallen.

Laut Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) gibt es aber keine Hinweise, dass es durch die bisherigen Öffnungsschritte zu massiven Erhöhungen bei den Corona-Fallzahlen gekommen ist. Die bislang registrierten Anstiege seien auf regionale Cluster-Bildungen zurückzuführen gewesen. Für den aktuellen massiven Anstieg zeichnet Oberösterreich verantwortlich: Von den 107 Neuerkrankungen am Mittwoch wurden 61 in Oberösterreich verzeichnet. In Wien waren es 24 Neuinfektionen. Insgesamt gibt es derzeit 677 aktiv Erkrankte.

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Laut Anschober ist die Situation auf Bundesebene noch stabil. Bei regionalen Cluster-Bildungen müsse man aber "sehr konsequent reagieren" – unter anderem mit einem schnellen Kontaktpersonenmanagement. Anschober: "Da geht es um jede Sekunde." Er führte auch an, dass das Risikobewusstsein in der Bevölkerung gesunken ist. "Manche sind müde geworden."

In Oberösterreich, wo sich die Zahl der aktuell Infizierten auf 190 Fälle erhöht hat, wurden als Reaktion "drastische Maßnahmen" angekündigt, wie Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) sagte. Ab Freitag werden für eine Woche in den fünf Bezirken Linz-Stadt, Linz-Land, Wels Stadt, Wels-Land und Urfahr-Umgebung alle Schulen, Kindergärten sowie Betreuungseinrichtungen geschlossen. Dort befinden sich derzeit 1.400 Menschen in Quarantäne.

Zudem wurde die "dringende Empfehlung" ausgesprochen, Veranstaltungen in diesen Bezirken abzusagen. Diese Anregung nahm das Landestheater Linz auf. Alle Veranstaltungen im Musiktheater und in den Kammerspielen wurden bis zum Spielzeitende am 5. Juli abgesagt. Clemens Martin Auer, Sonderbeauftragter für Gesundheit im Gesundheitsministerium, wollte Donnerstagfrüh in Ö1 auch Betriebsschließungen nicht ausschließen. Man werde jetzt in den Firmen testen und dann sehe man ja, ob diese clean seien. Wenn dies der Fall sei, dann gebe es auch keinen Grund, sie zu schließen, so Auer. Zudem appellierte er dringend an die Menschen dort, nun wieder vermehrt "bitte, bitte", Masken aufzusetzen, etwa im Supermarkt.

Grund für die drastischen Maßnahmen ist der sprunghafte Anstieg der Infektionszahl. Von Dienstag auf Mittwoch ging sie um 61 auf 190 nach oben. Das ist der österreichweite Spitzenwert.

Hauptverantwortlich für den Weg der Virenkurve ist vor allem eine zu überschwänglich ausgelebte Liebe zu Gott. Konkret geht das Cluster von einer Christengemeinde in Linz aus.

Keine Einreisebeschränkungen für Oberösterreicher

Deutschland sieht sich aber noch nicht in der Situation, Einreisebeschränkungen für Menschen aus Oberösterreich einzuführen. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums betonte am Mittwoch in Berlin, man lasse die Grenzkontrollen gerade wieder auslaufen. "Es besteht im Moment keine Absicht, das wieder rückgängig zu machen."

Die verschärften Corona-Maßnahmen in Oberösterreich gehen einher mit der Strategie der Bundesregierung: Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte bereits Mitte Juni – bei damals nur rund 30 bis 40 Neuerkrankungen pro Tag – regionale Verschärfungen angekündigt, sofern die Infektionszahlen wieder "in den dreistelligen Bereich" rutschen.

In der Steiermark wurde ebenfalls ein Covid-Cluster festgestellt, nachdem ein Mitarbeiter einer Grazer Baufirma erkrankt war. Insgesamt wurden bis Dienstagabend zehn Personen positiv getestet, 40 Mitarbeiter wurden untersucht. Laut Eva Winter, der Leiterin des Gesundheitsamtes, werden auch die restlichen 60 Mitarbeiter der Firma getestet. Die Testergebnisse sollen am Donnerstag vorliegen.

Die Firma hat derzeit Baustellen in Leoben, Weiz, Graz und Wien. Die Arbeiter stammen aus mehreren Ländern, vorwiegend aus Griechenland.

Wien liegt bei den aktuell Erkrankten mit 271 Personen zwar weiterhin an der Spitze. Zuletzt waren die Fallzahlen laut dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) aber rückläufig.

Zu wenig Schutzausrüstung

Die Volksanwaltschaft rüstet sich für eine zweite Welle: Nachdem man die Situation in Alters- und Pflegeheimen per Befragung evaluiert hatte, wurde klar, dass es Änderungsbedarf braucht. So fand man bei der Befragung von 166 Heimen etwa heraus, dass es in einigen Heimen eher zufällig Schutzausrüstung gab, als die Pandemie ausbrach, bestätigte Infektionen wurden von rund einem Viertel der Heime berichtet. Die Empfehlungen für eine neuerliche Krisensituation: Investitionen, denn eine Pandemie dürfe kein Freifahrtschein für Unterbesetzung sein. Bund und Länder sollten zudem klare Vorgaben geben, statt die Verantwortung abzuwälzen, so die Volksanwaltschaft. (David Krutzler, Markus Rohrhofer, Gabriele Scherndl, Rosa Winkler-Hermaden, 1.7.2020)