Bei Airbus geht es ans Eingemachte. Bedingt durch Corona hat sich die Auftragslage stark verschlechtert, 15.000 Jobs werden gestrichen.

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Es ist wie beim Sturz ins Luftloch – niemand weiß, wie groß es ist. Anfang des Jahres war das europäische Vorzeigeunternehmen Airbus noch ganz oben gewesen, während der US-Erzrivale Boeing bereits am Boden lag. Im Februar wollte Konzernchef Guillaume Faury gerade die Produktion seines Verkaufsschlagers A320 auf 67 Maschinen im Monat erhöhen; die Personalabteilungen in Toulouse und Hamburg schraubten die Löhne hoch, um neue, junge Ingenieure zu finden.

Dann brach die Pandemie los. Ein Vierteljahr später gab Faury unglaubliche Zahlen bekannt: Die Produktion ist um 40 Prozent eingebrochen, 14.931 Arbeitsplätze müssen gestrichen werden. Faury will vor allem mit dem Vorruhestand operieren, zumal in den nächsten sieben Jahren ein Drittel der 135.000-köpfigen Belegschaft in Rente gehen wird; aber er schließt auch Kündigungen nicht aus. Der Einbruch vieler Airlines lasse Airbus gar keine Wahl, meinte der 52-jährige Franzose, der vor gut einem Jahr den Deutschen Thomas Enders an der Airbus-Spitze abgelöst hatte.

Bestellt, aber nicht abgeholt

Faurys Hauptargument ist für alle sichtbar: Auf den Flugfeldern in Toulouse, wo die Airline-Delegationen täglich nagelneue Maschinen abholen kamen, warten nun selbige im Dutzend – bestellt, aber nicht mehr abgeholt.

Doch längst nicht alle Beteiligten sind einverstanden mit Faurys Stellenschnitt. Die französische Regierung räumte am Mittwoch ein, dass der "Schock massiv, brutal und dauerhaft" sei. Trotzdem ist die Zahl der angekündigten Stellenstreichungen "überrissen", verkündete das Pariser Wirtschaftsministerium, das wie das deutsche Pendant je elf Prozent am Unternehmen hält. Der französische Staat hatte seiner Luftfahrtindustrie jüngst mit 15 Milliarden Euro unter die Arme gegriffen. Dafür verlangt Paris nun die Rettung von 2.000 der 5.000 bedrohten Stellen in Frankreich.

Verzicht auf Staatshilfen

Airbus hatte vor Wochen schon von sich aus auf Staatshilfen verzichtet. Die deutsche Regierung schließt daraus, wie ihr Luftfahrtkoordinator Thomas Jarzombek der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit einer gewissen Ironie erklärte, dass bei Airbus offenbar eine "größere Liquiditätslinie vorhanden" sei.

Die deutschen wie die französischen Gewerkschaften weisen darauf hin, dass die Auftragsbücher von Airbus auf acht Jahre hinaus ausgelastet sind: 7500 Bestellungen stehen noch offiziell zu Buche. Airbus habe alles Interesse, das rare Fachpersonal für die Zeit nach der Krise zu behalten, schätzte der Konzernbetriebsrat am Mittwoch, um hinzuzufügen: "Die Substanz des Unternehmens wird kaputtgespart." Die deutsche IG Metall ließ ihrerseits verlauten, die aktuelle Pandemie sei ein "Vorwand" für den angekündigten Stellenabbau.

Faury hält dagegen, Airbus könne nicht auf Halde produzieren. Selbst die Kadenz der A320 werde bis Ende 2021 auf 40 Maschinen im Monat verharren, ein Drittel weniger als heute. Normale Verhältnisse würden erst wieder gegen 2025 erreicht, glaubt der Airbus-Chef.

Deutschland hauptbetroffen

Welche Standorte genau in Europa, China und den USA betroffen sind, gab Faury nicht bekannt. Auch über mögliche Folgen für Zulieferbetriebe wie beispielsweise FACC in Oberösterreich oder die Böhler Schmiedetechnik in der Steiermark kann nur spekuliert werden.

Besonders betroffen vom Kahlschlag ist jedenfalls Deutschland. 5.100 Stellen sollen dort gestrichen werden. Airbus beschäftigt in Deutschland nach eigenen Angaben etwa 46.000 Mitarbeiter an fast 30 Standorten.

Hamburg zittert

Nach Informationen des Norddeutschen Rundfunks (NDR) könnte knapp die Hälfte davon auf Hamburg entfallen. In Finkenwerder, wo Airbus vor Beginn der Corona-Krise 14.000 Menschen beschäftigte, stehe jeder sechste Job auf der Kippe. In Finkenwerder haben fast alle Leiharbeiter schon das Werk verlassen, ein großer Teil der Stammbelegschaft ist in Kurzarbeit.

Noch im Vorjahr waren dort 1.000 Beschäftigte eingestellt worden. In dem Werk findet die Endmontage für die Airbusfamilie A320 statt. Ein Airbus-Sprecher in Deutschland erklärte, es sei noch offen, in welchem Umfang der große Standort Hamburg betroffen sei.

Die Gewerkschaft IG Metall warnt vor einem "überzogenen Stellenabbau". Dies wäre "eine Katastrophe für die Menschen und die Standorte", sagt Daniel Friedrich, Bezirksleiter IG Metall Küste. "An einigen Standorten von Airbus ist die Kurzarbeit noch nicht einmal zwei Monate eingeführt. Da ist es paradox, jetzt über einen solchen Arbeitsplatzabbau zu diskutieren." Die IG Metall schlägt eine "kollektive Arbeitszeitverkürzung" nach dem Vorbild des Autobauers Volkswagen vor. (Stefan Brändle, Birgit Baumann, 1.7.2020)