In den Wiener Weingärten gab es auch während des Lockdowns genug zu tun.

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Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. So könnte man die Situation der Wiener Weinhauer beschreiben. Lange Zeit geschlossene Gasthäuser und Vinotheken, ausbleibende Events, Kongresse und Touristen, am Boden stehende Flugzeuge sowie Einbrüche im Export haben die Winzer schwer getroffen. Während manche Weinbauern stark unter der Gastro-Flaute leiden, haben andere einen Fokus auf den Onlinehandel gelegt und segeln damit besser durch die Krise.

So mancher Winzer warte noch auf die Begleichung von Rechnungen aus dem Jänner oder Februar, erzählt Michael Edlmoser vom gleichnamigen Weingut. Da hakt sein Kollege Fritz Wieninger gleich ein. Früher habe es geheißen, der beste Wein sei ein verkaufter Wein. Nun laute die Devise: "Der beste Wein ist ein bezahlter Wein." Allerdings bringen die Winzer Verständnis für die missliche Lage der Wirte auf, mit denen man seit Jahren eng kooperiere. Richtig eng werde es bei einem zweiten Lockdown, den würde die Hälfte der Wiener Gastronomen nicht überleben, ist Edlmoser überzeugt. Das wäre dann auch für die Weinhauer schwer zu verkraften.

Online abgefedert

Doch auch wenn das Geschäft wegen Corona laut Wieninger "ziemlich mau" ist, konnte das den Optimismus nicht restlos vertreiben. In den westlichen und südlichen Bundesländern Österreichs spüre man schon ein erstes Anziehen des Tourismus und damit eine Erholung im Weinvertrieb. Und sowohl Ab-Hof-Verkauf als auch Onlinehandel wirkten in der Krise stabilisierend. Gerhard J. Lobner vom Mayer am Pfarrplatz beispielsweise berichtet von starken Zuwächsen über eine britische Plattform während des Lockdowns. Wieninger ergänzt: Wer bisher nicht via E-Commerce tätig war, habe diesen Kanal in den letzten Monaten rasch hochgefahren.

Wenig Kurzarbeit

Dennoch könnten die verpassten Kongresse und Messen nicht aufgeholt werden, sind die Vertreter von Wien Wein überzeugt. Es handelt sich dabei um eine Vereinigung sechs führender Weingüter, zu der neben Wieninger, Mayer am Pfarrplatz und Edlmoser auch Christ, Cobenzl und Fuhrgassl-Huber gehören. Doch immerhin werde der Wein nicht schlecht, und die Reben wuchsen auch während des Einfrierens der Wirtschaft. Kurzarbeit war nur in wenigen Bereichen wie Lager und Kellerei möglich, weil die Weingärten ja weiter gepflegt werden müssen.

Fritz Wieninger und einige seiner Kollegen betätigen sich als Mentoren.
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Wie stark die staatliche Unterstützung wirke, können man jetzt noch nicht genau beurteilen, meint Wieninger, der auch als Obmann von Wien Wein fungiert und eben erst mit Michelin-Sterne-Sammler Juan Amador den Pop-up-Buschenschank Hans & Fritz eröffnet hat. Jedenfalls sei die Mehrwertsteuersenkung für die Heurigen eine Hilfe, sagt er.

Blaue Nase

Laut Thomas Podsednik vom Weingut Cobenzl werde man "mit einer blauen Nase davonkommen". Eine gute Seite habe Corona auch gehabt, findet Wieninger. Der 2019er-Wein sei noch nicht ausverkauft, was angesichts der traditionell hohen Nachfrage bei kleiner Produktion selten sei. Und ein gereifter Wein sei im Genuss ohnehin qualitativ spannender, findet der Topwinzer.

Wien Wein hat am Mittwoch eine Initiative vorgestellt, die sich Mentoring-Programm nennt. Mit einer Mischung aus Nachbarschaftshilfe und Know-how-Transfer sollen Nischenplayer und Quereinsteiger verstärkt von etablierten Winzern profitieren und vice versa. "Damit die Wiener Rebflächen nicht verrohen", begründet Wieninger den Vorstoß.

Erste Violine

"Von uns kommt die Erfahrung, während die Quereinsteiger oft quergebürstete neue Gedanken einbringen", schildert Lobner vom Mayer am Pfarrplatz den Plan, der auf bestehenden Partnerschaften aufbaut. Ein Beispiel ist der Musiker Peter Uhler, der nicht nur die erste Violine im Radiosymphonieorchester (RSO) spielt, sondern auch kleine Parzellen u. a. am Reisenberg bewirtschaftet. Bei der Vinifizierung und Abfüllung hilft ihm der Winzer Rainer Christ.

Auch Andreas Gugumuck kooperiert mit einem etablierten Weinbauern. Der Schneckenzüchter hat von Wieninger "tausendundeinen Quadratmeter" gepachtet und erzeugt 600 Flaschen eines Gemischten Satzes, der besonders gut zum Weichtiergenuss passt. Die Anschaffung von teurem Equipment zahle sich bei der kleinen Menge nicht aus. Wieninger. "Allein ein Traktor kostet mehr als ein Mercedes S-Klasse." (Andreas Schnauder, 1.7.2020)