Sandra Wollner gewann den großen Filmpreis des Festivals Diagonale.

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Das Wort Realität würde man von Sandra Wollner wohl kaum einmal in der Einzahl hören. Die österreichische Filmemacherin weiß nur zu gut, dass sie mit ihren Arbeiten neue Wirklichkeiten schafft und dass diese mit den heutigen Medienwelten in intensiver Konkurrenz stehen.

Umso bemerkenswerter ist, dass sie schon nach zwei Filmen als große Begabung im Weltkino erkennbar ist. Im Februar hatte The Trouble with Being Born bei der Berlinale in der Reihe "Encounters" Weltpremiere. Die Regisseurin sprach pointiert von einem "Anti-Pinocchio", denn es geht darin um ein Mädchen, das zugleich eine Art Sexpuppe und ein Wesen mit menschlichen Regungen und (trügerischen) Erinnerungen ist.

Die Reaktionen waren einhellig positiv und zum Teil verblüfft wegen der Kühnheit und Intelligenz, die sich in Wollners Vision einer künftigen Robotergesellschaft äußerten. Am Dienstagabend war The Trouble with Being Born dann auch bei den Preisen des österreichischen Filmfestivals Diagonale der große Triumphator mit insgesamt fünf Auszeichnungen.

Videokamera zum Trost

Ihr Weg zum Kino war "nicht der einer klassischen Cineastin", wie Wollner erzählte. Sie kam 1983 in Leoben zur Welt. Ausgerechnet der Maturasommer wurde ihr durch einen Unfall verdorben. Die Eltern schenkten ihr zum Trost eine Videokamera. Eine frühe Bewerbung an der Wiener Filmakademie blieb erfolglos. Stattdessen durchlief Wollner regelrecht eine Schule der Freiberuflichkeit und kam dabei mit allen möglichen Medienformen in Kontakt.

Sie schnitt kurze Dokumentationen für das Fernsehen, arbeitete aber auch in der Werbung. Entscheidend wurde schließlich, dass sie 2012 an der Filmhochschule im deutschen Ludwigsburg angenommen wurde. Hier traf sie Partner, mit denen sie bis heute zusammenarbeitet: den Kameramann Timm Kröger oder den Autor Roderick Warich.

Nach drei Kurzfilmen debütierte sie 2016 mit Das unmögliche Bild. Was auf den ersten Blick wie ein Familienfilm mit Amateuraufnahmen aus den 1950er-Jahren aussieht, ist de facto eine raffinierte Fiktion. The Trouble with Being Born ist nun im Grunde erst ihr Abschlussfilm – und zugleich schon eine Eintrittskarte in neue Dimensionen. Nach der Premiere rief eine Agentin aus Hollywood an. Aber Wollner will sich vorerst auf ihr nächstes Projekt konzentrieren, "irgendwas mit Geistern". Realitäten, die vor allem das Kino sieht. (Bert Rebhandl, 2.7.2020)