Corona brachte dem Lebensmittelhandel einen starken Umsatzschub. Das täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass Marktwachstum nur noch über Verdrängung möglich ist.

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Wien – Rewe dreht in der Verwaltung an der Kostenschraube und streicht in der Zentrale in Wiener Neudorf bis zu 250 Jobs. Der Lebensmittelkonzern leistete sich in Österreich über Jahre komplexe Strukturen, die nicht nur zwischen Billa und Merkur für Rivalitäten und Reibungsverluste sorgten, sondern auch der Konkurrenz Marktanteile zuschanzten.

Der Umsatzschub aufgrund der Corona-Krise täuscht nicht darüber hinweg, dass die Zeiten boomender Supermarktgeschäfte hierzulande vorbei sind. Die Märkte sind gesättigt, Wachstum gelingt allein über Verdrängung, was die Finanzierung neuer Filialen zusehends erschwert.

Rewe pflegte bisher für jede ihrer Handelsfirmen, von Billa über Merkur bis zu Penny, eigene Organisationen. Diese kauften individuell ein, handelten mit Lieferanten dafür eigene Konditionen aus, rekrutierten unabhängig voneinander ihr Personal und managten ebenso ihre Immobilien. Viele der Strukturen arbeiteten gegeneinander und drängten die darüber stehende Holding zurück, erzählen Konzernkenner.

"Keine Rabattpolitik"

Die vergangenen zwei Jahre prägte starker Personalwechsel das Management. Heuer musste Rewe die österreichische Marktführung an den Erzrivalen Spar abtreten. Es sei dies die logische Folge aus Fehlern der Vergangenheit, durch die vor allem Merkur ins Stolpern geriet, resümiert man hinter den Kulissen.

Rewe-Österreich-Chef Marcel Haraszti führt den verlorenen Wettlauf gegen Spar auf einen bewussten Verzicht auf Rabattpolitik zurück. "Wir werden Marktanteilen nicht um jeden Preis nachlaufen, wir gehen den gesünderen Weg." In jedem Fall ist der Druck auf den Lebensmittelriesen gestiegen. Rewe sei durch doppelte Strukturen gelähmt gewesen, räumt Haraszti ein, "wir waren nicht schnell und nicht effizient genug".

Sozialplan für Mitarbeiter

Die Marke Merkur bleibt weiterhin bestehen. Rewe bündelt das Unternehmen aber mit Billa in der Verwaltungseinheit BMÖ und beendet damit vom Einkauf über das Marketing bis hin zur Expansion Doppelgleisigkeiten. Statt sieben gibt es nun fünf Vorstände. Die bis zu 250 Mitarbeiter in der Zentrale sollen bis Ende 2022 abgebaut werden.

Rewe will dafür natürliche Fluktuation nutzen, Betroffene in anderen Bereichen unterbringen und verspricht einen Sozialplan. Auf wie viele Mitarbeiter dieser ausgelegt ist, bleibt vorerst noch offen. Ziel sei es, die Personalkosten in der Verwaltung um gut zwölf Prozent zu senken.

Adeg, Bipa und Penny bleiben als autonome Gesellschaften bestehen. Neu sind sieben regionale Niederlassungen und Vertriebsdirektoren. "Wir müssen näher vor Ort sein, unser Sortiment wird regionaler", betont Haraszti und verweist auf "viele kleine interessante Produzenten". Das Modell erinnert an Strukturen der Spar-Gruppe mit ihren über die Bundesländer verstreuten Regionalcentern.

Gleiche Preise

Die für den Ertrag der Handelsketten wichtigen Eigenmarken will Rewe zusammenführen: Jene der Billa hat künftig auch Merkur in den Regalen. Umgekehrt sind keine Merkur-Labels bei Billa vorgesehen. Die Preise der Vertriebslinien sollen gleich gestaltet sein.

In Summe will der Konzern sein Netz an Filialen weiterhin ausdehnen. Der Stab an Mitarbeitern im Verkauf stieg seit Ausbruch der Corona-Krise und damit verbundenen Hamsterkäufen um 1.000 Beschäftigte. Die Kapazitäten im Onlinehandel verdoppelten sich, der Umsatz im Web entspricht Haraszti zufolge mittlerweile jenem von 20 Billa-Filialen. Einfluss auf die Preise habe Corona nicht genommen, "es gab ja auch keine Verknappung". (Verena Kainrath, 2.7.2020)