Den verfrühten Ferienstart an oberösterreichischen Schulen hält man im Bildungsministerium für nicht gerechtfertigt. "Role-Model" solle das Vorgehen nicht sein.

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Obwohl der Ferienbeginn nur in Niederösterreich, Wien und dem Burgenland auf heute, Freitag, fällt, starten auch mehr als 80.000 Schülerinnen und Schüler in Oberösterreich schon vorzeitig in die Sommerpause: Corona macht's möglich. Nach der Schließung von fünf Schulbezirken in und rund um Linz mehrt sich aber die Kritik am Vorgehen der Landesregierung. Auch im Bildungsministerium ist man vom großflächigen Schul-Shutdown nicht begeistert.

"Kein Role-Model"

Ressortchef Heinz Faßmann (ÖVP) erklärt im Gespräch mit dem STANDARD: "Das sollte kein Role-Model sein für den Herbst." Der Minister ist der Ansicht, dass die Schulen hier "quasi zu Sündenböcken" gemacht werden, obwohl sie nicht ursächlich für die Verbreitung des Virus verantwortlich seien. Österreichweit seien seit der Schulöffnung im Mai nur 80 Corona-Fälle in den Reihen der Schülerinnen und Schüler bestätigt worden, weitere 15 Fälle haben Lehrkräfte betroffen – bei insgesamt rund 400.000 Pädagoginnen und Pädagogen. Am Donnerstagabend sagte Faßmann dann in der ZiB 2, der Normalbetrieb im September sei "unser Planungsziel". Künftig sei es vorzuziehen, dass nur einzelne Klassen oder Schulen geschlossen werden.

Kritik von Bildungsminister Faßmann (ÖVP) an der Schließung von Schulen in fünf Bezirken in Oberösterreich. Landeshauptmann Stelzer (ÖVP) hat die Schulschließung wegen zahlreicher neuer Corona-Fälle angeordnet.
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Dass die ÖVP-geführte Landesregierung das ÖVP-geführte Bildungsministerium von der Schließung der Schulen und Kindergärten lediglich informiert hat, sorgt am Wiener Minoritenplatz für deutlich mehr Irritationen als beim grünen Gesundheitsminister Rudolf Anschober. Dort verweist man pragmatisch auf die im Epidemiegesetz festgelegte Zuständigkeit der Landesbehörden.

Neue Teststrategie

Deutlichere Worte fand Anschober zur grundsätzlichen Situation in Oberösterreich: Diese sei "alles andere als erfreulich". Nun gehe es darum, die Situation rasch wieder unter Kontrolle zu bekommen. Trotzdem befinde man sich im Bereich dessen, was nach den Lockerungen erwartet wurde. Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) betonte, dass es wegen der aktuellen Situation in Oberösterreich zu keinen bundesweiten Maßnahmen kommen werde.

Die aktuelle Phase der Lockerungen soll ab nächster Woche von einem neuen Screeningprogramm begleitet werden. Es handle sich um den "Eintritt in ein neues Zeitalter", sagte Anschober bei einer Pressekonferenz am Donnerstag. Bisher wurden bundesweit 628.000 Testungen durchgeführt. Die Anzahl dürfte sich ab nächster Woche deutlich erhöhen: Bis zu 30.000 Tests sollen zusätzlich pro Woche durchgeführt werden. Die Kosten für das Screeningprogramm bis Ende 2020 liegen bei 240 Millionen Euro. Im März gab die Bundesregierung als Ziel noch 15.000 Tests pro Tag aus. Derzeit liegt man bei etwa 6.000 Stück pro Tag.

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Risikogruppen im Fokus

Neu in den Fokus rücken sollen vor allem Risikogruppen. Das können sowohl Mitarbeiter in Schlachtbetrieben oder Logistikfirmen, als auch Bewohner von Asylunterkünften oder Obdachlose sein. Ebenso soll in Altenheimen getestet werden, auch "exponierte Personen im Gesundheitswesen" sollen die Möglichkeit zur Testung bekommen. Wer enge (Reise-)Kontakte in den Westbalkan hat, bekommt künftig auch verstärkt Tests angeboten. Gezwungen werden kann von diesen Gruppen ohne konkreten Krankheitsverdacht aber niemand – im Gegensatz zu Kontaktpersonen, die ebenfalls flächendeckend getestet werden sollen. Weiterhin getestet werden Personen, die aufgrund diverser Krankheitssymptome als Verdachtsfälle gelten. Damit wird im Wesentlichen bundesweit nun das umgesetzt, was in Wien bereits gestartet wurde. "Ich war ja nie einer derjenigen, die das Vorgehen der Wiener Behörden offensiv kritisiert haben", sagte Anschober.

Kritik kommt von der Opposition, sowohl was die Teststrategie als auch was die Schulschließungen betrifft. SPÖ und Neos fordern die Aufstockung auf die versprochenen 15.000 Tests pro Tag. Wie diskussionslos die Kinderbetreuung ins Private verschoben werde, sei inakzeptabel, kritisierte Neos-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger mit Blick auf den Shutdown in Oberösterreich. (Vanessa Gaigg, Karin Riss, 2.7.2020)