In Windparks wie in der Nordsee und im Neusiedler See, E-Tankstellen, Breitbandausbau, Impfstoffforschung und Klimaschutzmaßnahmen fließen bis 2027 hunderte EU-Milliarden.

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Mission übererfüllt. Der im Jahr 2014 vom früheren Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker ins Leben gerufene EU-Fonds für strategische Investments (EFSI) hat seine Ziele erreicht. Stand Mittwoch wurden Investitionsprojekte im Gesamtvolumen von 514 Milliarden Euro umgesetzt beziehungsweise genehmigt.

Es handelt sich dabei um tausende kleine wie große Vorhaben in Bereichen Infrastruktur, Forschung und Entwicklung bis hin zum Bau von Gesundheitseinrichtungen. Der "Juncker-Plan" hat die Aufgabe, mit Krediten und Beratungshilfen Projekte neben klassischen Förderinstrumenten aus regulären EU-Töpfen zu ergänzen.

"Das Ding funktioniert"

Bis Ende 2020 sollte der EFSI auf ein Volumen von 500 Milliarden Euro kommen. "Das haben wir jetzt schon erreicht. Es zeigt sich, dass das Ding funktioniert", freut sich Wilhelm Molterer. Der frühere ÖVP-Chef, Ex-Agrar- und Ex-Finanzminister, bis 2008 Vizekanzler, ist der Chef des EFSI. Als General Manager sollte er nicht nur den Investitionsstau in Europas Betrieben, der der Wirtschaftskrise ab 2008 folgte, zerstreuen, was bisher mit der Schaffung von geschätzt 1,7 Millionen Arbeitsplätzen verbunden war. Das Besondere an dem Projekt war der Versuch der Modernisierung von EU-Förderpolitik. Statt vorhandene Budgetmittel direkt in Projekte fließen zu lassen, sollten 33 Milliarden Euro als Hebel verwendet werden, um auf den Finanzmärkten Geld aufzustellen und EU-Instrumente komplementär zu nützen. Die Finanzierung läuft über die Europäische Investitionsbank (EIB) in Luxemburg, wo Molterer ab 2011 Vizepräsident war. Die EU tritt als Garant auf.

Nur so war es möglich, derart riesige Summen zu bewegen, die ein Vielfaches eines regulären EU-Budgets pro Jahr ausmachen. Die EIB sorgt mit dem EFSI für die Projektbewertung, Kreditvergabe bzw. Abwicklung. Projekte sollten nachhaltiger Entwicklung, Klimaschutz oder Forschung dienen. "In Österreich haben wir zum Beispiel Windparks beim Neusiedler See oder die Forschung der Elektromobilität bei der AVL in Graz oder den Breitbandausbau in Niederösterreich mitermöglicht", erzählt Molterer.

Zuschüsse oder Kredit

Auch die Firma des Biologen Josef Penninger, Apeiron, die an einem Impfstoff gegen Covid-19 arbeitet, war im Programm. Das führt in Corona-Zeiten direkt hin zum Projekt des EU-Wiederaufbaufonds im geplanten Volumen von 750 Milliarden Euro. Der EFSI wird von 2021 bis 2027 zwar als eigener Fonds ("Invest-EU") mit 650 Milliarden Euro als Zielgröße fortgeführt. Was die Abwicklungstechnik betrifft, könnte er teilweise als Vorbild für den "Wiederaufbau" dienen. Neben dem regulären EU-Budgetrahmen (1.100 Milliarden Euro) und den 540 Milliarden Corona-Soforthilfen (200 Milliarden Kredite aus dem ESM, dem Euro-Stabilisierungsmechanismus) stünden samt nationalen Hilfen bis 2027 fast fünf Billionen Euro zur Verfügung.

Wie berichtet, streiten die Regierungschefs darüber, ob die 750 Milliarden Euro des Fonds als reine Zuschüsse oder als Kredite an Projekte in den von Corona meistbetroffenen dürftigen EU-Staaten vergeben werden sollen. Molterer hält diesen Punkt für nicht allein entscheidend. Man müsse vor allem alle bestehenden Instrumente aufeinander abstimmen, sie kombinieren. EFSI-Projekte werden nur mit Krediten finanziert. "Es kann aber sein, das bei einem Projekt, das mit Forschung begann, bei der Umsetzung dann auch EU-Kohäsionsgelder dazukommen", sagt der EFSI-Chef. Beim Wiederaufbau werde es entscheidend sein, die beste "Mischung" von Zuschüssen und Krediten zu finden.

Flexibilität ist alles

Denn die Länder müssten die Gelder auch "absorbieren"– umsetzen – können. Das Geheimnis erfolgreicher EU-Investitionspolitik sei eine gute Verbindung von öffentlichem und privatem Sektor: "Und du musst schnell starten und möglichst flexibel sein." Es müsse hohe Flexibilität geben, je nach Sektoren, Ländern oder Regionen. Wir haben zum Beispiel mit Krediten begonnen, heute arbeiten wir viel mit Garantien", erklärt Molterer, "niemand weiß heute, was 2024 sein wird."

Förderziele seien "die vier C": competitiveness, climate, cohesion, Covid. Im übertragenen Sinne also: Wettbewerbsfähigkeit, nachhaltiger Klima/Umweltschutz, Solidarität der Staaten, Gesundheit. Gebot der Stunde sei es, Eigenmittel und Liquidität der Unternehmen zu stärken. Hunderte Milliarden Euro würden benötigt. (Thomas Mayer aus Brüssel, 3.7.2020)