Wäre Favoriten eine eigene Stadt, wäre es die drittgrößte Österreichs.

Foto: Christian Fischer

Favoriten also. Seit mehr als einer Woche blickt Österreich auf das sogenannte Problemkind der Bundeshauptstadt, tagelang Schauplatz von Gewalt, nachdem Rechte und türkische Nationalisten linke und kurdische Demonstrationen angegriffen haben. Jugendliche außer Kontrolle, schwere Sachbeschädigungen, verletzte Polizisten und Demonstranten: Die ÖVP verglich die Verhältnisse mit den Pariser Banlieus. Was ist wirklich los in Favoriten?, fragen sich seither viele. Sind es wirklich ethnische Konflikte aus der Türkei, die auf den Straßen von Wien ausgetragen werden, oder sind die Ursachen vor Ort zu suchen – vor allem hier, im bevölkerungsreichsten Wiener Bezirk, der für sich allein die drittgrößte Stadt des Landes wäre?

Fast immer, wenn von Favoriten die Rede ist, geht es um den Kern des Bezirks.
Foto: Christian Fischer

Zuallererst: Favoriten als Einheit gibt es nicht, nicht einmal architektonisch. Im Zehnten stehen in der einen Ecke kleine Einfamilienhäuser, als würden sie nicht mehr zur Hauptstadt gehören wollen, in der anderen wachsen die Bäume – der Wienerberg ist eines der größten Naherholungsgebiete der Stadt. Und dann das Sonnwendviertel: 2012 wurde es aus dem Boden gestampft, um die Gegend rund um den Hauptbahnhof "aufzuwerten", wie man im Stadtplanungsjargon sagt. Künstliche Parks und Mehrparteienhäuser wurden errichtet, manche sprechen über ein Boboviertel, aber auch hunderte geförderte Wohnungen wurden gebaut.

So viele Leute wie kaum woanders

Doch fast immer, wenn von Favoriten die Rede ist, geht es um den Kern des Bezirks: die Gegend zwischen Kepler- und Reumannplatz, die von der Quellenstraße gekreuzt wird – jener Straße, die der damalige ungarische Kanzleramtsminister János Lázár vor zwei Jahren für so furchtbar befand, dass er vor "ähnlichen Zuständen" in Ungarn warnte. Und die Gegend, in der in der Vorwoche türkische Nationalisten tagelange Angriffe auf politische Gegner, darunter Kurden, die für Frauenrechte kämpften, starteten. Eine Gegend und ein Konflikt, deren nähere Betrachtung sich lohnt.

Die Polizei marschierte vier Tage in Folge im Großaufgebot nach Favoriten.
Foto: Presseservice Wien

Die Favoritenstraße ist die verkehrsberuhigte Hauptschlagader des Grätzels. Geht man vom Reumannplatz – auch der wird derzeit aufgewertet – Richtung Norden, taucht man ein in ein buntes Gewusel. Da kreuzen Bims die Straße, Frauen mit Kinderwagen und Kinder auf Rollern manövrieren sich durch. Kommen in Gesamt-Wien 43 Einwohner auf einen Hektar, sind es in Favoriten 59. Rund um den Reumannplatz sind es 334. Große Ketten sind hier genauso angesiedelt wie Dönerbuden und ein CBD-Shop. Dazwischen fährt ein Polizeiauto im Schritttempo die Fußgängerzone entlang.

Über 200.000 Menschen wohnen im Zehnten, und jeweils 13.000 davon sind in Serbien oder der Türkei geboren, gut 7.000 in Rumänien. Viele Eltern und Großeltern haben Migrationshintergrund. Bei keiner anderen Bevölkerungsgruppe wird derart heftig über den Einfluss des Herkunftsstaates spekuliert wie bei den Türken. Und die Stimme des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan reicht tatsächlich bis in viele Wohnzimmer der türkischen Community in Favoriten.

Der lange Arm Erdoğans

Es gibt aber auch Vereine, die als Vorfeldorganisationen von Parteien in der Türkei fungieren, wie etwa die UID (früher UETD) für die AKP oder die Türkische Föderation für die MHP. "Da gibt es direkte Verbindungen zu den Regierungsparteien in der Türkei", sagt Politikwissenschafter Thomas Schmidinger. Auch Atib, der größte Moscheedachverband Österreichs, gilt als verlängerter Arm der türkischen Regierung. Das habe mitunter auch profane Gründe, sagt der Politikwissenschafter und Welser Grünen-Spitzenkandidat Thomas Rammerstorfer: etwa den Exportmarkt der Türkei zu erhalten. Je mehr türkische Kultur in Österreich, desto mehr türkische Produkte werden eingeführt.

Sind also die Vereine, die Moscheeverbände und damit Erdoğan selbst mitverantwortlich für die Angriffe der Rechtsextremen auf Demonstrationen? Hakan Gördü, ehemaliger Sprecher des AKP-Vereins UETD (heute UID) und jetzt Vorsitzender der Wiener Kleinpartei SÖZ, versucht sich nun als Stimme der gemäßigten Mitte und organisiert Diskussionsrunden im Bezirk. Er sagt, die Jugendlichen seien tatsächlich organisiert gewesen, jedoch "völlig an den türkischen Vereinen vorbei". Auf Facebook klingt das etwas anders; da bezeichnet er die Kundgebung gegen Gewalt an Frauen von kurdischen und linken türkischen Vereinen als Provokation.

Unzählige Male zeigten Angreifer den faschistischen Wolfsgruß.
Foto: Presseservice Wien

Rechtsnationalisten als auch AKP-Anhänger waren beteiligt, sagt Experte Schmidinger. Viele in der linken türkischen und kurdischen Community sind überzeugt davon, dass die Angriffe zumindest indirekt von der türkischen Regierung beeinflusst wurden. "Erdoğan verhält sich wie ein Sultan", sagt etwa Nurcan Güleryüz, Co-Vorsitzende von Feykom, dem Dachverband der kurdischen Vereine in Österreich. "Er will überall Einfluss haben, auch über die Türkei hinaus." Dass Frauenhass als wichtiger Faktor, der hinter den Angriffen steht, bisher so wenig thematisiert wurde, stört Güleryüz: "Wo war das Statement unserer Frauenministerin diesbezüglich?"

Große und kleine Wölfe

Nachdem es in den vergangenen Monaten still um die Grauen Wölfe geworden war, entbrannte die Debatte nach den Vorfällen im Zehnten erneut. Immerhin wurden mehrere Anzeigen wegen des verbotenen Wolfsgrußes ausgesprochen, noch viel öfter wurde er wohl ungestraft gezeigt. Die faschistische Bewegung wird politisch primär von der MHP vertreten und ist hierzulande in der Türkischen Föderation organisiert. Die distanzierte sich zwar von den Vorfällen und den daran Beteiligten, doch: "Dass das die Handschrift der Gruppierung ist, ist klar", sagt Politikexperte Rammerstorfer.

Doch es waren nicht nur stramm faschistische Kader, die da durch Favoriten zogen. Wiewohl entgegen vieler Berichte auch Erwachsene an den Angriffen teilgenommen haben. Doch an vorderster Front standen anfangs Jugendliche, die sich einer nationalistischen Szene zugehörig fühlen, aber nicht streng ideologisch gefestigt sind. Oberstes Ziel ist dennoch die Verteidigung der türkischen Regierung. Die politische Annäherung zwischen AKP und ihrem Koalitionspartner MHP schlägt auch auf die Diaspora durch. Politische Motive mischen sich mit religiösen, die Jungen stolpern in diesen Sumpf. Doch Einigkeit herrscht bei den Feindbildern: Kurden, Linke, Säkulare und die gesamte politische Opposition der türkischen Regierung.

Schuldumkehr und "korrekte Leute" bei den Grauen Wölfen

Mit dem Verhalten der Jugendlichen oder zumindest mit den Bilden, die sie produzieren, tun sich scheinbar auch manche Erwachsene schwer. Auf einem Video sieht man, wie sich am vorletzten Tag der Demos der wütende Mob bei der Apotheke am Reumannplatz versammelte. Da schritt auf einmal ein Mann im Anzug durch die Menge, Menschentrauben bildeten sich um ihn. Er stieg auf eine kleine Treppe, Jugendliche zückten ihre Handys. Er sprach: "Schaut! Gegen die 20 Hunde da drüben sind wir so viele hier. Wir sind die Türken, wir sind brave Leute." Applaus brach aus, und der Redner sagte: "Lasst uns nicht in die Falle tappen." Und tatsächlich: Einige Jugendliche zogen ab.

Der Mann heißt Hüseyin Taş. Er arbeitet für den türkischen Sender Utkan TV und posiert auf seinem Facebook-Profilbild mit Erdoğan. "Ich liebe Erdoğan", sagt er ein paar Tage später in einem Café in der Quellenstraße, unweit vom Schauplatz seiner Rede. "Aber ich liebe auch Kurz." Anzug trägt er auch heute, einen Halbmond-Anstecker am Revers. Gemeinsam mit seinem Freund Vedat Yavuz kam er her, um eine andere Sicht der Dinge zu präsentieren. Da teilen der Türke Taş und der Kurde Yavuz die restliche Bevölkerung Favoritens in gute und schlechte Ausländer, da schimpfen sie gemeinsam auf die PKK und die YPG, und da wird Schuld umgekehrt.

Die beiden Männer waren bei den Demos, um zu beruhigen, sagen sie. Und: Die Jungs – nicht nur Türken, auch Tschetschenen, Syrer, Österreicher, wie Taş wiederholt betont – hätten nicht angefangen. Sie seien von Terroristen provoziert worden; so sieht das auch die türkische Regierung. Videos belegen das Gegenteil.

Und der Wolfsgruß? Die Burschen wüssten doch nicht einmal, was der bedeuten würde, wiegeln die beiden ab. Selbst wenn: Die Grauen Wölfe seien nichts anderes als eine Partei in der Türkei, keine Terroristen. "Einfach eine Partei", sagt Taş noch einmal, "korrekte Leute."

Klar, die Jungen müsste man in den Griff bekommen, sie bräuchten Betreuung. Aber nicht in staatlichen Jugendzentren, da sei es zu durchmischt. "Sie müssen separat in unseren Vereinen betreut werden", sagt Yavuz. Nur um im nächsten Atemzug zu sagen, wie wichtig Integration sei.

Ein Nährboden für Extremisten

Jugendliche hier seien oft mit Ausgrenzung konfrontiert, sagt Manuela Smertnik, sie ist pädagogische Leiterin eines Jugendzentrums im Zehnten. "Sie spüren, dass sie nicht erwünscht sind, und das wird von politisch extremen Gruppen instrumentalisiert." Als die Situation in Favoriten eskalierte, waren Jugendarbeiter vom Verein Wiener Jugendzentren vor Ort.

Zu Beginn habe man gute Gespräche führen können, doch als sich die Emotionen weiter hochschaukelten, habe man sich zurückziehen müssen, heißt es später. Die Grenzen der Jugendarbeit, sagt Ilkim Erdost, Geschäftsführerin des Vereins, seien dann erreicht, wenn Gegenargumente nicht mehr gehört werden, wenn Diskussionen in Gewalt und Herabwürdigung enden. Auch wenn es Teil der Sozialarbeit sei, die Jungen zu fordern, "selbst wenn es um Wertehaltungen geht, wo es dir alle Haare aufstellt", sagt Smertnik. Aber ab dem Punkt, wo das Strafrecht ins Spiel kommt, kommt die Polizei ins Spiel.

Doch über Integration zu sprechen sei verkürzt, sagt Sozialwissenschafterin Zeynep Arslan: "Die sprechen ja alle Deutsch, sind hier geboren und in die Schule gegangen." Es gehe nicht um jene Parallelgesellschaften, von denen so oft die Rede ist. Sondern um eine türkische rechtsextreme Szene, die sich parallel zur österreichischen entwickle und von deren Führern Jugendliche angestachelt und bei Ausschreitungen vorgeschickt werden.

Eingeschlagene Fenster und ein Mann mit Messer

Fragt man rund um die Favoritenstraße Passanten, ob sie die Angriffe mitbekommen haben, schütteln viele den Kopf. Nein, er sei nur tagsüber hier, meint ein Obstverkäufer am Viktor-Adler-Markt. Einige Meter weiter, vor der unscheinbaren Attaysir-Moschee, deren Zugang eingequetscht ist zwischen einem Etsan-Supermarkt und einem Etsan-Lagerraum, sagen zwei Frauen lächelnd, sie hätten nichts gehört.

Noch ein Stück die Straße runter sitzt in einem Kebapladen ein Mann und äschert in eine leere Coladose, er restauriere hier gerade einiges, sagt er. Ein Fenster in dem grauen Laden ist mit einem Brett verschlagen, es wurde im Zuge der Ausschreitungen zerstört. Ein Mann mit einem Messer soll plötzlich im Raum gestanden sein.

Der Laden grenzt an den Wielandpark, dort haben sich die Angreifer gesammelt. Gibt man den Hashtag auf Tiktok ein, sieht man Aufnahmen von schreienden Jugendlichen, von Polizeihelmen, von Wolfsgrüßen. Sie tragen Hashtags wie #manpower und #scheißkurden und sind gespickt mit der türkischen Flagge. Tiktok, dieses so unscheinbare und doch so mächtige politische Instrument, dürfte einiges zu Eskalation beigetragen haben.

"Es war schon immer so"

Im Grunde ist der Wielandpark ein typischer Wiener Park. Die türkischen Flaggen sind wieder vom Fußballkäfig verschwunden, drin spielen Kinder Ball. In der anderen Ecke ist ein Sandkasten, dazwischen Bänke, die Bäume schaffen es zumindest ein bisschen, den Verkehrslärm zu schlucken. Auf einer Bank hat sich eine Gruppe junger Frauen um Getränkedosen gruppiert, eine hat immer das Handy am Ohr. Klar haben sie von den Krawallen gehört, auf Instagram und Tiktok. "Es war schon immer so", sagt eine – Kurdin, wie sie betont – und meint damit die Reibereien mit Türken. "Aber warum das jetzt so groß ist, versteh ich nicht."

Ungefähr 100.000 Kurden leben in Österreich. Politikexperte Schmidinger schätzt, dass etwa 40 Prozent der kurdischen Bewegung nahestehen. Genauso gibt es aber auch religiös-islamische Anhänger unter ihnen. Es wäre verfehlt, den Konflikt allein auf "Türken gegen Kurden" zu vereinfachen – nicht zuletzt auch deshalb, weil sich die Angriffe gegen all jene richten, die sich der politischen Opposition in der Türkei zugehörig fühlen.

Wem gehört Favoriten?

Wer nicht der türkischen oder der kurdischen Community angehört oder politisch aktiv ist, den berühren die aktuellen Auseinandersetzungen, wenn überhaupt, nur am Rande. Andere, die vom nationalistisch-konservativen Milieu zum Feindbild erkoren wurden, schon. Gleich gegenüber vom Park sitzt Mamo Mirzani im Ernst-Kirchweger-Haus, jenem linken Zentrum, das nach dem Antifaschisten Ernst Kirchweger, dem ersten Todesopfer einer politischen Gewalttat in der Zweiten Republik, benannt ist. Er gehört zur Plattform antifaschistische Solidarität, die die Kundgebungen vergangene Woche organisiert hat.

"Während des Ramadan überlege ich mir schon zweimal, ob ich mir ein Bier aufmache", sagt er. Die selbsternannten "Wächter Favoritens" seien zwar nicht in Uniform unterwegs, aber bestimmte Gebiete würden für Unliebsame zum Sperrgebiet erklärt.

Das EKH feiert am Samstag seinen 30. Geburtstag.
Foto: Christian Fischer

Um Mirzani sitzt eine Handvoll Mitglieder zweier linker türkischer Vereine. Die Ereignisse der letzten Tage sitzen ihnen noch in den Knochen. Werden von der Straße her lautere Stimmen hörbar, geht sofort jemand zum Fenster, um zu schauen, wer unten steht. Auch das Tor ist versperrt. "Ich habe geglaubt, sie brennen das Haus ab", sagt Mirzani. "Da drüben ist eine Tankstelle – warum holt niemand Benzin?", sollen die Angreifer gesagt haben. Manche Aktivisten berichten, dass sie unsicher sind, ob sie derzeit überhaupt nach Favoriten kommen sollen. Aber der Tenor lautet: Man könne Favoriten nicht den Grauen Wölfen überlassen.

Vor nur zwei Wochen wurde das linke Zentrum zum Angriffspunkt für Rechtsextreme.
Foto: Christian Fischer

Favoriten und die Politik

Für wen in Favoriten Platz sein soll, darüber streiten nicht nur Linke und Nationalisten, sondern auch die heimische Politik. Viktor Adler, dem Begründer der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, wurde vor hundert Jahren ein Abschnitt der Favoritenstraße gewidmet: der Viktor-Adler-Platz. Heute dient er als Stammkundgebungsplatz für die FPÖ. Schon am äußeren Rand des angrenzenden Marktes bieten Gemüsehändler ihre Ware feil, "Nektarinen, zwei Kilo, zwei Euro", schreit ein junger Händler, die Worte ziehen sich gequält von Hitze und der Belastung der Stimmbänder in die Länge. In einem Café nebenan ertönt in Endlosschleife die Stimme einer türkischen Sängerin, offenbar gequält von Leidenschaft und Herzschmerz.

Der Viktor-Adler-Markt ist nahe einem Platz, den die FPÖ gerne für Kundgebungen nutzt.
Foto: Christian Fischer

Erst vor wenigen Tagen schrie hier Parteichef Norbert Hofer, dass ihm der Koran mehr Angst machen würde als Corona. Prompt folgten Anzeigen. Und so dauerte es auch nach den Vorfällen in Favoriten nicht lange, bis die FPÖ sich auf das Thema einschoss. Türkische Konflikte hätten hier nichts zu suchen, hieß es da, eine Argumentation, der die ÖVP schnell folgte.

Norbert Hofer am Viktor-Adler-Platz: Der Koran sei gefährlicher als Corona, sagte er an diesem Tag.
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Immerhin wird in Wien im Oktober gewählt, und die gut 100.000 Wahlberechtigten in Favoriten wiegen schwer. Bei den letzten Gemeinderatswahlen konnte die SPÖ noch 40 Prozent der Stimmen holen, die FPÖ 30. Noch bei der Wahl davor war der Abstand zwischen den beiden Parteien doppelt so groß. Nun will auch die ÖVP mitfischen, nicht umsonst hat der Kanzler die Causa höchstpersönlich in die Hand genommen.

Der Zehnte als Wahlkampfthema

Dass die Debatte rund um Favoriten so heiß wurde, ist kein Zufall. Integration ist seit Jahren das Wahlkampfthema Nummer eins, und Bilder, wie sie aus dem Zehnten kamen, sind ideales Futter für eine Partei, die weiß, wie man sie nutzt. Doch darüber, was man konkret gegen die grassierenden nationalistischen Tendenzen tun könne – oder wie man Angegriffene schützen könnte –, darüber reden nur wenige.

Vorerst ist es ruhig im Zehnten. Am Viktor-Adler-Markt steht heute statt Hofer und den Wölfen ein Ziehharmonikaspieler. Mit "Bella ciao" findet er weder Beachtung noch Lohn. Der Journalist Hüseyin Taş kündigte bei seiner Spontanrede an, bald eine Flaggenparade gegen die "Terroristen" zu veranstalten. Vier Tage lang fanden letzte Woche antifaschistische Kundgebungen statt, die immer wieder angegriffen wurden. Für den heutigen Samstag wurde wieder eine Demo gegen Männergewalt angesagt, Endpunkt ist das Ernst-Kirchweger-Haus.(Gabriele Scherndl, Vanessa Gaigg, 4.7.2020)