Fischembryonen im Ei (hier im Bild Kabeljau) sind besonders temperaturempfindlich.
Foto: Flemming Dahlke

Forscher des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) haben versucht, in einer Metastudie ein möglichst breites Bild der Auswirkungen des Klimawandels auf die weltweiten Fischbestände zu erstellen. Dafür trugen sie wissenschaftliche Daten zur Wärmetoleranz von 694 Fischarten zusammen.

Das Ergebnis war beunruhigend: Werden die Treibhausgasemissionen nicht drastisch reduziert, seien bis zu 60 Prozent der Fischarten wegen der Klimaerwärmung in ihrer Reproduktion gefährdet, da die Wassertemperatur in den Laichgebieten maßgeblich über den Fortpflanzungserfolg entscheidet. Die Forscher sprechen von einem "thermalen Flaschenhals". Der Effekt gelte sowohl für Meeresbewohner als auch für Süßwasserspezies, ob in Flüssen, Seen oder Teichen. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift "Science" veröffentlicht.

Faktor Wärme

Für die in "Science" veröffentlichte Analyse wurde untersucht, innerhalb welcher Temperaturbereiche Fische als laichbereites Tier, als Embryo im Ei, als Larve nach dem Schlüpfen sowie als erwachsenes Tier außerhalb der Paarungszeit überleben können. "Unserer Ergebnisse zeigen, dass Fische als Embryonen im Ei sowie als laichbereite Erwachsene deutlich wärmeempfindlicher sind als im Entwicklungsstadium der Larve oder als geschlechtsreifer Fisch außerhalb der Paarungszeit", sagt Erstautor Flemming Dahlke vom AWI.

In einem zweiten Schritt analysierte das Forscherteam, in welchem Maße die Wassertemperaturen in den Laichgebieten der untersuchten Arten durch den Klimawandel steigen werden. Dazu nutzten sie neue Klimaszenarien, die auch dem nächsten Weltklimabericht zugrunde liegen werden. Die Ergebnisse belegen, dass jedes Grad durchschnittlicher Erwärmung die weltweiten Fischbestände in größere Bedrängnis bringt.

Ausblick

"Gelingt es der Menschheit, die Klimaerwärmung bis zum Jahr 2100 auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, werden bis dahin nur etwa zehn Prozent der von uns untersuchten Fischarten ihre angestammten Laichgebiete aufgrund zu warmen Wassers verlassen müssen", erklärte Dahlkes Kollege Hans-Otto Pörtner.

Bleiben die Treibhausgasemissionen dagegen auf hohem bis sehr hohem Niveau, wäre mit einer durchschnittlichen Erwärmung von fünf Grad Celsius und mehr zu rechnen – was bis zu 60 Prozent der Fischarten gefährden würde. Betroffene Arten wären dann gezwungen, sich entweder evolutionsbiologisch anzupassen oder aber ihre Fortpflanzung in eine andere Jahreszeit oder an einen anderen Ort zu verlagern. Beides wäre nicht so einfach: Evolutionäre Prozesse brauchen Zeit und können mit dem Tempo der Erwärmung vielleicht nicht Schritt halten. Und räumliches Ausweichen ist nur da möglich, wo es auch tatsächlich weiteren Raum gibt.

"Eine solche Verlagerung mag einigen Arten gelingen", so Dahlke. "Wenn wir jedoch bedenken, dass Fische ihre Fortpflanzung über lange Zeiträume an spezielle Lebensräume angepasst haben und ihre Zyklen auf bestimmte Nahrungsangebote und Meeresströmungen abgestimmt sind, dann ist davon auszugehen, dass eine erzwungene Verlagerung der Laichgebiete große Probleme mit sich bringen kann." (red, APA, 4. 7. 2020)