Der ehemalige ÖSV-Langlauftrainer Walter Mayer bestritt sämtliche Vorwürfe und räumte lediglich ein, Dopingmittel für den Eigengebrauch erstanden zu haben.

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Innsbruck – Das Verfahren gegen den ehemaligen ÖSV-Langlauftrainer Walter Mayer endete am Freitagnachmittag mit einem Schuldspruch. Neben 15 Monaten bedingter Haft mit dreijähriger Probezeit wurde Mayer zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen zu je vier Euro verurteilt. Mayer wurde vorgeworfen, von 2012 bis 2019 Sportler beim Doping unterstützt zu haben und auch selbst unerlaubte Substanzen, darunter Wachstumshormone, Testosteron und Humanalbumin, an Sportler weitergegeben zu haben. Zudem soll er Blutdoping an Athleten praktiziert und damit zu deren Sportbetrug beigetragen haben. Mayer bestritt sämtliche Vorwürfe und räumte lediglich ein, Dopingmittel für den Eigengebrauch erstanden zu haben.

Die mitangeklagte 37-jährige Marathonläuferin K., der vorgeworfen wurde, Dopingmittel erstanden, eingenommen und weitergegeben zu haben, wurde ebenfalls zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen zu je vier Euro verurteilt. Ihre bisherige Unbescholtenheit wurde als mildernd gewertet. K. wurde zudem vom Vorwurf der Verleumdung freigesprochen. Sie hatte zum Prozessauftakt im Februar 2020 gestanden, dass ihre ursprünglichen Aussagen gegen Mayer, dass dieser sie beim Doping unterstützt habe, unwahr gewesen seien. Beide Urteile, jenes gegen Mayer als auch das gegen K., sind noch nicht rechtskräftig.

Drahtzieher des Dopingnetzwerkes sagte aus

Am dritten und letzten Prozesstag sagte im Innsbrucker Schwurgerichtssaal noch ein besonders brisanter Zeuge aus: der kroatische Leichtathletiktrainer Dario N. Er gilt neben dem deutschen Arzt Marc S. als eine der zentralen Figuren im jüngsten Dopingskandal, der im Rahmen der Aktion Aderlass bei der Nordischen Ski-WM in Seefeld 2019 aufgedeckt wurde. Die Süddeutsche Zeitung beschrieb den Kroaten als "Zucht- und Ordnungsmeister" des Dopingnetzwerkes. Die Ehefrau von N., eine kroatische Marathonläuferin, wurde 2015 des Dopings mit Epo überführt. Im Zuge der Corona-Krise gelang es der Innsbrucker Staatsanwaltschaft, den Kroaten festnehmen und ausliefern zu lassen. Gegen ihn wird noch ein eigener Prozess folgen, in diesem Verfahren sagte er nur als Zeuge aus.

Die nun in Innsbruck angeklagte 37-jährige Marathonläuferin und Ex-ÖSV-Trainer Mayer gaben beide zu, dass sie bei N. zwischen 2016 und 2019 verbotene leistungssteigernde Substanzen erworben haben. Doch die Frau erklärte, sie habe die Mittel nur an einen Triathleten weitergegeben, der ebenfalls am Freitag in Innsbruck in einem eigenen Prozess vor Gericht stand. Sie selbst habe die Mittel nicht eingenommen. Sie habe den Kroaten 2016 lediglich als Trainer engagiert, weil er offenbar seine eigene Ehefrau zu Marathonerfolgen geführt habe. Dass diese eben erst 2015 positiv auf Epo getestet und gesperrt worden ist, will die Erstangeklagte nicht gewusst haben.

Mayer teilgeständig: Mittel nur zum Eigenbrauch

Walter Mayer wiederum gab an, die vom Kroaten erworbenen Dopingmittel zum Eigengebrauch genutzt zu haben. Mit den Testosteron-Präparaten habe er seine Altersdepression behandelt, die Wachstumshormone dienten zur körperlichen Unterstützung. Das Epo wollte er dazu nutzen, eine sportliche Wette gegen einen Bekannten zu gewinnen – was letztlich auch gelungen sei. Allerdings widersprach der Kroate Mayers Aussage und gab an, er sei überzeugt gewesen, dass der Ex-Trainer die Substanzen für andere Sportler besorgt habe, weil diese eigentlich nur im Leistungssport genutzt werden.

In seinem Schlussplädoyer hielt der Staatsanwalt fest, dass weder bei der Erstangeklagten noch bei Mayer Unrechtsbewusstsein feststellbar sei. Dies sei ein generelles Problem in Österreich, wenn es um das Thema Doping gehe. Die Anklage selbst fußte einerseits auf Geständnissen der Angeklagten, die zwar zu einem Großteil widerrufen wurden, aber auch auf Aussagen Dritter, wie des rechtskräftig verurteilten Langläufers Johannes Dürr und des ebenfalls rechtskräftig verurteilten Ex-Trainers Gerald Heigl. Weil diese sich mit ihren Aussagen auch erheblich selbst belasteten, seien sie für die Staatsanwaltschaft sehr glaubwürdig.

Verleumdung gegen Ermittler: Freispruch

Die Vorwürfe Mayers in Richtung der polizeilichen Ermittler, wonach diese ihn in Einvernahmen unter Druck gesetzt hätten, ließ der Staatsanwalt nicht gelten. Beschuldigteneinvernahmen seien nämlich nie angenehm. Daher blieb er auch bei der Ausdehnung der Anklage um den Punkt der Verleumdung gegen die Ermittler. Mayer versuchte am Freitag noch, seine am Donnerstag geäußerten Vorwürfe gegen die Ermittler zu relativieren und zu widerrufen. Mit Erfolg, in diesem Anklagepunkt wurde er freigesprochen.

Der Anwalt der erstangeklagten Marathonläuferin bat um Milde für seine Mandantin. Sie habe zugegeben, verbotene Substanzen besorgt und weitergeben zu haben, allerdings habe sie sich dabei nie selbst bereichert. Zudem sei sie nie Profisportlerin gewesen, sondern nur Hobbyläuferin mit "krankhaftem Ehrgeiz". Warum sie dennoch zu Dopingmitteln griff, erklärte der Anwalt mit "naiv und dumm". Daher bat er um Milde für seine Mandantin und um eine Verurteilung nach dem Antidopinggesetz, aber nicht nach dem mit höherem Strafmaß bedrohten Sportbetrug.

Mayer als Opfer dargestellt

Mayers Verteidiger versuchte anhand von Indizien darzulegen, dass viele der Vorwürfe gegen seinen Mandanten nicht stimmen könnten. Etwa wenn Langläufer Dürr Blutabnahmen durch Mayer behauptete, aber zeitgleich offenbar bei Wettkämpfen antrat und dort passable Ergebnisse erzielte. Das sei rein wissenschaftlich nicht möglich, so die Verteidigung. Doch insgesamt tat man sich schwer, die aufgestellten Behauptungen zu entkräften, wie auch der Anwalt Mayers einräumen musste: "Es ist schwer zu beweisen, dass etwas nicht passiert ist."

Gegen Ende der Verhandlung meldete sich Mayer selbst noch zu Wort und zeichnete ein tristes Bild seiner Lebensumstände seit seiner letzten Verurteilung wegen Dopings 2011. Er hatte mit schweren Alkoholproblemen zu kämpfen, zudem plagten ihn Geld- und Beziehungsprobleme. Über längere Phasen habe er nicht einmal einen echten Wohnsitz gehabt, sondern sei bei Bekannten untergekommen. Allein diese schwierigen Lebensumstände würden dem Bild widersprechen, dass er Drahtzieher eines Dopingnetzwerkes gewesen sei. Der ehemalige Spitzenathlet und Trainer, der als "Vater des österreichischen Langlaufwunders" gilt, fühlt sich vorverurteilt und zu Unrecht beschuldigt. (Steffen Arora, 3.7.2020)