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Die Wirecard Central Eastern Europe GmbH – eine Tochter der deutschen Wirecard – mit Niederlassungen in Graz und auch in Wien musste am Freitag beim Handelsgericht Graz Insolvenz anmelden.

Foto: Reuters / Andreas Gebert

Die Wirecard Central Eastern Europe GmbH – eine Tochter der deutschen Wirecard – mit Niederlassungen in Graz und auch in Wien musste am Freitag beim Handelsgericht Graz Insolvenz anmelden. Dies teilte der Kreditschutzverband von 1870 (KSV) mit. Näheres war vorerst nicht bekannt.

Die Firma hatte ihre Grazer Niederlassung im Neubauviertel Graz-Reininghaus erst seit kurzem bezogen. Zur Insolvenzverwalterin wurde die Wiener Advokatin Ulla Reisch bestellt, die Anmeldefrist wurde mit 18. August festgesetzt. Die Berichts-und Prüfungstagsatzung findet am 1. September statt.

München ermittelt

Im Skandal um fehlende Milliarden beim DAX-Konzern Wirecard ermittelt die Münchner Staatsanwaltschaft nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) nun auch wegen Untreueverdachts gegen den Ex-Vorstandschef, den Österreicher Markus Braun, und weitere Manager. Dabei geht es um den Vorwurf, dass dreistellige Millionensummen von Wirecard-Konten an Firmen in Asien und auf Mauritius flossen.

Außerdem gehen die Ermittler laut dem "SZ"-Bericht von Freitag davon aus, dass die mutmaßlichen Manipulationen bei Wirecard spätestens 2014 begannen. Die Zeitung stützt sich dabei auf "Erkenntnisse von Ermittlern" und "Ermittlungsunterlagen". Die Staatsanwaltschaft erklärte, sie könne den Bericht nicht bestätigen. "Wir ermitteln weiterhin gegen Herrn Braun und mögliche Mittäter wegen aller in Betracht kommenden Straftaten".

Dubiose Geschäfte

Wie der "Standard" bereits berichtete, sollen Dokumente der Wirtschaftsprüfer von KPMG belegen, dass bei Wirecard mehrere hundert Millionen Euro im Rahmen dubioser Geschäfte verschwanden – etwa bei unbesicherten Millionenkredite in Asien und einem überteuerten Firmenkauf von einem Fonds auf Mauritius. Der Verbleib des Geldes ist ungeklärt. Das geht aus einem bisher unveröffentlichten Sondergutachten der Wirtschaftsprüfer von KPMG hervor.

Außer "SZ" hatten auch WDR und NDR zu der Briefkastenfirma auf Mauritius recherchiert. Auch KPMG habe nie herausgefunden, wo das Geld, letztlich angeblich 315 Millionen Euro, landeten. Ex-Vorstand Jan Marsalek gab zu Protokoll, es sei nicht üblich, die Hinterleute zu ermitteln – es gilt die Unschuldsvermutung.

Mutmaßliche Manipulationen

Wirecard hatte im Juni eingeräumt, dass 1,9 Milliarden Euro auf asiatischen Treuhandkonten verbuchte Firmengelder sehr wahrscheinlich nicht existieren. Dass die mutmaßlichen Manipulationen eine viele Jahre zurückreichende Vorgeschichte haben, war bekannt, bisher aber kein konkretes Startdatum, von dem die Ermittler ausgehen. Eine Schlüsselfigur ist neben Braun der früher im Wirecard-Vorstand für das Tagesgeschäft zuständige Manager Marsalek, ebenfalls ein Österreicher. Seine Spur verlor sich vor gut zehn Tagen auf den Philippinen. Öffentlich gemacht hat die Staatsanwaltschaft, dass gegen Braun, Marsalek und andere wegen Verdachts unrichtiger Angaben und Marktmanipulation ermittelt wird.

SPD-Chef Norbert Walter-Borjans forderte im "Handelsblatt" (Freitag) eine Reform der Finanzaufsicht, diese müsse "innovativer und schlagkräftiger" werden. Konsequenzen forderte der SPD-Chef auch für die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften: "Wir benötigen eine von den Big Four tatsächlich unabhängige Kontrolle." Big Four sind die vier großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Deloitte, KPMG, EY und PwC. Bei Wirecard hatte EY die Bilanzen geprüft. Das Unternehmen ist nun mit Klagen und Klagedrohungen wütender Aktionäre konfrontiert, weil die mutmaßlichen Manipulationen nicht früher auffielen.

Deutschlands Rang als "Geldwäsche-Paradies und Tummelplatz für Finanzakrobaten" schade nicht nur dem Image als Finanzplatz, sagte Borjans der Zeitung. "Er verursacht auch Schaden in Milliardenhöhe." (APA, 3.7.2020)