Musen steigen herab und trällern sich durch die Jahrhunderte: die Styriarte in der Helmut-List-Halle.

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Ist die Nacht ausschließlich zum Schlafen da, oder darf man da auch Party machen? Mit dieser wichtigen Frage beschäftigte man sich bei der Eröffnungsproduktion der Styriarte. Zur (verspäteten) Feier des Namenstags seiner Gemahlin beglückte Joseph I. die fromme Amalie im Juli 1709 mit einer Oper, die sich exakt dieses Themas annahm. Gli Ossequi della Notte wurde auf einer schwimmenden Bühne im Parkteich seines Sommerschlosses Favorita zum Besten gegeben. Wer das Präsent zu komponieren hatte? Natürlich der Hofkomponist Johann Joseph Fux.

Bei der Styriarteist man ja seit einiger Zeit komplett angefixt auf Fux. Aus Gründen. Denn der ehemalige steirische Bauernbub war als Komponist ein Könner mit Entertainerqualitäten – also ziemlich genau das, was Mathis Huber seit 30 Jahren für die Styriarte als Intendant darstellt. Von den vielen Fux-Opern, die im Archiv der Nationalbibliothek schlummern, hat Huber für heuer Gli Ossequi della Notte ausheben und von der Akademie der Wissenschaften aufbereiten lassen. Und die diesjährige Styriarte hat er auch gleich nach dieser Oper benannt: "Geschenke der Nacht".

Ein Geschenk ist es ja, dass das Musikfestival in diesen Zeiten überhaupt zustande gekommen ist. Oder aber ein Resultat der "Innovationskraft und Flexibilität" (Stadtrat Günter Riegler in seiner Eröffnungsrede) beziehungsweise der "Sturköpfigkeit und des Widerspruchsgeists" (Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer) der Steirer. Vade retro, Corona!

Mindestabstand mit Bundespräsident

Beim ersten konzertanten Opernquerschnitt am Mittwoch konnte man erleben, wie die feierfreudige Nacht (mit einem Sopran so rein wie das Herz von Kaiserin Amalie: Maria Ladurner) und der Schlaf (glänzend im Lyrischen: Valerio Contaldo) singend die Causa Nachtruhe erörterten. Virtuos und farbenreich assistierte das Styriarte Festspiel-Orchester, von Alfredo Bernardini von der Oboe aus angeleitet.

Die Helmut-List-Halle präsentierte sich locker bestuhlt, den Ein-Meter-Mindestabstand zum Sitznachbarn stellten gesperrte Sessel oder kleine Klapptische sicher. Die Mund-Nasen-Schutz-Träger stellten in der 250-köpfigen Zuhörerschaft eine kleine Minderheit dar, auch im Foyer und bei den Zugängen zum Saal trat man der Umwelt unmaskiert gegenüber. Infolge der Pandemie wurden die Aufführungen auf eine Stunde gekürzt, dafür wird drei Mal en suite gespielt. Wie sprach Bundespräsident Alexander Van der Bellen vorab recht launisch? "Wir machen Kompromisse mit diesem verdammten Virus."

Kompromisslos unterhaltsam war das eröffnende Instant-Musiktheaterstück von Flora Geißelbrecht (Musik) und Thomas Höft (Text). Erst Mitte Juni beauftragt, war Die Musen vom Parnass schon nach einer Woche fertig. Und also umschwirrten sechs Musen die Eröffnungsredner und trällerten sich, von Lilli Hartmann mit Verve in grellem Bad-Taste-Look aufgetakelt, originell durch die Jahrhunderte. Was wünschten sich die Musen? "Ein besseres Morgen, / Das heute beginnt." Passt. (Stefan Ende, 3.7.2020)