"Das" Virus gibt es nicht mehr, es hat Mutationen hervorgebracht.
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Washington/Sheffield – Obwohl Sars-CoV-2 nicht das mutationsfreudigste aller Viren ist, hat es seit Beginn der Pandemie bereits eine Reihe von Varianten hervorgebracht. Einer davon mit der Bezeichnung D614G haben Forscher schon im Frühling besondere Beachtung geschenkt: Ihr wurde das Potenzial zugeschrieben, besonders infektiös zu sein. Einer aktuellen Studie zufolge war diese Befürchtung korrekt – unklar ist jedoch, ob diese Variante auch gefährlicher ist, also schwerere Krankheitsverläufe auslöst.

Zwei Untersuchungszeiträume

Für die in "Cell" veröffentlichte Studie schlossen sich Forscher des Los Alamos National Laboratory in New Mexico und der Duke Universität in North Carolina mit einer Forschergruppe der britischen Universität Sheffield zusammen und analysierten Genom-Sequenzen von Sars-CoV-2. Sie hatten bereits im April herausgefunden, dass die Variante D614G aufgrund einer einzigen, aber entscheidenden Änderung bei einem Protein mehr Zellen infiziert – unter Laborbedingungen.

Nach Kritik an der ersten Studie und auf Aufforderung von "Cell" fügten die Forscher nun zusätzliche Untersuchungen hinzu: Unter anderem analysierten sie die Daten von 999 britischen Patienten, die wegen Covid-19 im Krankenhaus behandelt werden mussten. Sie stellten fest, dass Patienten mit der Variante D614G mehr Viruspartikel in sich trugen. Bislang konnte aber nicht festgestellt werden, dass sich dadurch am Schweregrad der Krankheit etwas geändert hätte.

Noch gibt es Unklarheiten

In Labortests war die Fähigkeit dieser Virusvariante, menschliche Zellen zu befallen, drei- bis sechsmal höher als die der Ursprungsform. "Es sieht so aus, als handelte es sich um ein leistungsfähigeres Virus", sagte Erica Ollmann Saphire vom La Jolla Institute for Immunology, die eines der Experimente vornahm.

"Ich glaube, die Daten zeigen, dass sich das Virus durch die Mutation besser replizieren kann und möglicherweise eine hohe Viruslast mit sich bringt", kommentierte US-Präsidentenberater Anthony Fauci die Studie gegenüber dem Fachblatt "Journal of the American Medical Association". Er wies aber gleichzeitig darauf hin, dass eine Bestätigung der These noch fehlt. Ungewiss sei auch, ob die Variante schwerere Erkrankungen auslöse oder nicht.

In einem Kommentar zu der Studie schrieb der Virologe Nathan Grubaugh von der Yale School of Public Health, es sei Fakt, dass diese neue Form nun die vorherrschende sei: "Die neue Variante ist nun die Pandemie." Für die Menschen aber ändere sich dadurch nur wenig: Auch wenn dies die Entwicklung eines Medikaments oder eines Impfstoffs beeinflussen könnte, "rechnen wir nicht damit, dass D614G unsere Kontrollmaßnahmen ändern oder die einzelnen Infektionen verschlimmern wird". (APA, red, 3.7.2020)