Ein ganzes Dorf, das von der Außenwelt abgeschnitten ist: Bacurau umgibt ein schreckliches und auch ein wenig groteskes Geheimnis.

Foto: Victor Juca Fotografia

In der Serra Verde im nordöstlichen Brasilien fehlt etwas. Dort, wo eigentlich ein Dorf namens Bacurau liegen sollte, zeigen die digitalen Instrumente nichts an. Die ganze Gegend ist plötzlich ein Funkloch, das auch die Bewohner zu spüren bekommen. Denn in Wirklichkeit ist Bacurau durchaus noch da, es ist nur von der Außenwelt abgeschnitten.

Was ist los? Kleber Mendonça Filho und Juliano Dornelles beginnen nach etwa einer Stunde ihres Films Bacurau, das Geheimnis zu lüften. So viel kann man verraten: Es ist ein schreckliches, aber auch ein wenig groteskes Geheimnis.

Es betrifft eine Gemeinde, die etwas Idealtypisches hat. Die Serra Verde und damit auch Bacurau gehört zu der Landschaft, die man als das brasilianische "heartland" bezeichnen könnte. Brasilien ist dort ganz besonders Brasilien, während im reicheren Süden ganz andere Bedingungen herrschen.

Kleber Mendonça Filho war Filmkritiker, bevor er mit Neigh-boring Sounds auf beeindruckende Weise die Seite wechselte, und seither als einer der wichtigsten Regisseure seines Landes gehandelt wird.

Aus der Filmgeschichte Brasiliens weiß er, dass die nationale Identität sich in den trockenen, armen Regionen zeigt und bewährt, in denen nun auch Bacurau liegt: ein Dorf, das durch einen korrupten Politiker von der Wasserversorgung abgeschnitten ist, und das deswegen durch einen Tanklastwagen mit Wasser versorgt werden muss. Doch eines Tages schießt jemand Löcher in diesen Tank – deutlicher könnte die Warnung nicht sein.

Porträt einer Gemeinschaft

Bevor die Ereignisse in jeder Hinsicht eskalieren, zeichnen Kleber Mendonça Filho und Julian Dornelles aber das Porträt einer Gemeinschaft: Alle Schattierungen von Hautfarbe (in Brasilien ein großes, wenngleich offiziell gar kein Thema), alle Schönheitsideale, alle Formen von Kult und Hexerei und auch die eine oder andere bewusstseinserhellende Substanz sind in Bacurau vertreten; dazu herrscht ein deutlicher Gemeinsinn, wenn die Ärztin Domingas (Sonia Braga) nicht gerade betrunken ist.

Man könnte von einem gallischen Dorf in Pernambuco sprechen, und tatsächlich gibt es im zweiten Teil von Bacurau auch Analogien zu dem Zaubertrank, in den einst Obelix fiel. Die Assoziation mit einem Comic ist gar nicht verkehrt, denn mit dem Auftreten einer Gruppe von Gringos (Vorsitzender: Udo Kier) wird es grell und schmutzig.

Unübersehbar zielen die beiden Filmemacher auf eine Realsatire, auf einen Film, der nur noch von der Wirklichkeit eines Landes übertroffen werden kann, das unter dem Präsidenten Bolsonaro zu einem Horrortrip geworden ist. Ob Bacurau mit seiner Übertreibungskunst zu weit (oder nicht weit genug) geht, diese Einschätzung wird auch von persönlicher Geneigtheit zu psychedelischen Zuständen abhängen. Im Kino. (Bert Rebhandl, 5.7.2020)