Die New Yorker Staatsanwältin Audrey Strauss in einer Pressekonferenz nach der Festnahme: "Maxwell lockte minderjährige Mädchen an."

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Der Name Ghislaine Maxwell tauchte von Anfang an auf, wenn es um die Missbrauchsvorwürfe gegen den Investmentbanker Jeffrey Epstein ging. Die Tochter eines britischen Verlegers soll als Lebensgefährtin und Geschäftspartnerin die Mädchen beschafft haben, die Epstein teilweise jahrelang missbrauchte. Nun wurde die heute 58-Jährige auf einem großen Anwesen in New Hampshire gefasst und soll in New York auf ihren Prozess warten. Die Verhaftung kam fast exakt ein Jahr nach der Anklage gegen Epstein, der sich im August 2019 in seiner Zelle erhängt hatte.

Maxwell bestritt von Anfang an, von den Sexualstraftaten gewusst zu haben. Nun zeichnet die New Yorker Staatsanwältin Audrey Strauss aber ein anderes Bild: "Maxwell lockte minderjährige Mädchen an, erschlich sich ihr Vertrauen und ließ die Falle zuschnappen, die sie gemeinsam mit Epstein aufgestellt hatte", sagte sie bei einer Pressekonferenz nach der Verhaftung.

Entschädigungszahlung nach Zivilklage

In einer eben erst veröffentlichten Anklageschrift wird Maxwell zudem vorgeworfen, dass sie zum Teil an dem Missbrauch der Mädchen teilgenommen habe. So soll sie sich vor ihnen ausgezogen und sie ermutigt haben, Epstein zu massieren. Das jüngste der Mädchen soll erst 14 Jahre alt gewesen sein.

Bereits 2018 berichtete der "Miami Herald" über den Fall von Virginia Giuffre. Die junge Frau hatte Maxwell in einer Zivilklage drei Jahre zuvor vorgeworfen, sie 1999 als Minderjährige angeworben und für Epsteins sexuelle Übergriffe gefügig gemacht zu haben. Außerdem soll sie das Mädchen gemeinsam mit anderen Minderjährigen zu Sexpartys in Epsteins Anwesen in New York, New Mexico, Palm Beach und auf den Virgin Islands gezwungen haben. Maxwell nannte Giuffre eine Lügnerin. Diese klagte, und die beiden Parteien einigten sich zu Giuffres Gunsten auf eine Entschädigung von mehreren Millionen US-Dollar. Nähere Details blieben aus.

Unbekannter Aufenthaltsort

Maxwell entzog sich ab 2016 jeglichen Klagen gegen sich. Ihre Anwälte beteuerten den Behörden und der Öffentlichkeit gegenüber, dass sie nicht wüssten, wo sich ihre Klientin genau aufhalte. Deshalb könne man ihr die Klagsschriften auch nicht zustellen. Wie die Ermittler nun bekanntgaben, soll sie sich vor allem in New England aufgehalten haben. Dabei habe sie öfter die Adresse gewechselt und sich eine neue E-Mail-Adresse und eine neue Handynummer zugelegt. Maxwell soll sich Pakete unter anderem Namen liefern haben lassen.

Bis auf weiteres bleibt Maxwell deshalb auch in Haft – es herrsche nämlich Flucht- und Verdunklungsgefahr, so die Behörden. Während der vergangenen Monate stießen die Ermittler auf insgesamt 15 Bankkonten, auf die die Verdächtige Zugriff hat. Auf ihnen befinden sich mehr als 20 Millionen US-Dollar. Die Staatsanwaltschaft beschreibt die finanzielle Situation von Maxwell insgesamt als "dunkel und unklar". In den Jahren von 2007 bis 2011 wurden laut Behörden mehrere Millionen Dollar von Konten im Zusammenhang mit Epstein auf solche im Zusammenhang mit Maxwell transferiert.

Die Rolle des Prinzen

Doch die Ermittler haben bei ihren Untersuchungen der Missbrauchsvorwürfe nicht nur Interesse an der Rolle Maxwells, sondern auch an der Rolle mehrerer anderer Personen aus dem Kunstbereich, der Politik, der Wirtschaft – und dem britischen Adel.

Denn Prinz Andrew, der Sohn von Königin Elizabeth II, soll nun noch einmal vom FBI befragt werden. Er war eng mit Epstein und auch mit Maxwell befreundet, weigert sich aber, persönlich den Behörden Frage und Antwort zu stehen, wie diese in einem ungewöhnlichen Vorgehen öffentlich machten. Vielmehr bieten seine Anwälte ein schriftliches Statement an. Das aber lehnen wiederum die Ermittler ab. (Bianca Blei, 3.7.2020)