Es war ein verrücktes Schuljahr, das am Freitag im Osten Österreichs zu Ende ging: Lockdown, Homeschooling, Rückkehr in die Klassen mit Maske, Abstand und großer Vorsicht – das werden alle Beteiligten nicht so schnell vergessen. Zeit für eine Zwischenbilanz: Hat unser Bildungssystem die Corona-Ausnahmesituation gut überstanden? Nicht wirklich, wenn man nach Zahlen und Statistiken geht: Ein Fünftel der diesjährigen Maturanten hat die schriftliche Reifeprüfung in Mathematik nicht geschafft; das Lernen mit Distanz über Videokonferenzen und E-Learning hat laut einer aktuellen IHS-Studie wohl ein Viertel aller Schülerinnen und Schüler in die Bildungskrise geführt.

Die entscheidende Frage ist: Was haben wir aus der Krise für unser Bildungssystem gelernt – haben wir überhaupt etwas gelernt?

Die Krise hat Österreich vor Augen geführt, was sein Bildungssystem kann – und künftig können muss.
Foto: imago/Jürgen Ritter

Das Frappierendste war wohl, dass sich zeigte, dass die (Schul-)Kinder selbst keine starke Lobby haben – vor allem im Pflichtschulbereich. Dass die Schulen überhaupt vor dem Sommer nochmals aufgesperrt wurden, war nicht selbstverständlich. Bildungsminister Heinz Faßmann hatte in dieser Frage weder den Bundeskanzler noch – zumindest laut Umfragen – die Mehrheit der Lehrer und Eltern auf seiner Seite. Dazu passt, dass das Land Oberösterreich als erste Reaktion auf den lokalen Corona-Ausbruch gleich die landesweite Schließung der Schulen verordnete. Von heute auf morgen sind alle wieder daheim. Das war bestimmt nicht nur für die Schüler und Schülerinnen überraschend.

Gerade kleinere Kinder müssen aber erst lernen, sich zu organisieren, ihren Tagesablauf zu strukturieren – hier bietet der Schulalltag eine wichtige Orientierung. Fällt er weg, wird die persönliche Entwicklung der Kinder wieder zur reinen Privatsache und Angelegenheit der Eltern – dies unter erschwerten Bedingungen, weil diese selbst oftmals mit ihren systemrelevanten Jobs, Homeoffice oder auch plötzlicher Arbeitslosigkeit überfordert sind.

Verunsicherung

Die Kinder hatten auch keine Lobby in Sachen Bewegungsfreiheit. Dass der Sportunterricht trotz Öffnung der Schulen zunächst rigoros ausfiel, dass das ruhige Sitzen in der Klasse plötzlich die neue Normalität und Schulalltag ist, sorgte ebenso für Verunsicherung wie die tageweise Teilung der Klassen. Ein Rhythmus kam hier nicht zustande, im Sinne der Kinder war das nur bedingt. Im erneuten Krisenfall müssen die Schulbehörden hier jedenfalls kreativer vorgehen.

Grundsätzlich zeigte die Teilung der Klassen aber auch, wie es gehen könnte: kleinere Gruppen = individuellere Betreuung = mehr Ruhe. Dafür braucht es mehr Lehrpersonal – aber auch modernere, großzügigere Schulbauten. Der Finanzminister muss eher früher als später Geld in die Hand nehmen: Viele von Österreichs Schulbauten müssen dringend saniert und modernisiert werden.

Apropos modern: Die Corona-Krise brachte endlich die Erkenntnis, dass Schule im 21. Jahrhundert auch digital sein muss. Jedem Schüler ein Tablet zu schenken wird freilich nicht reichen. Lehrpläne müssen adaptiert und entrümpelt werden. Digitalkompetenz beginnt bei den Lehrern. Viele machen das bereits großartig, bei vielen ist aber auch noch Luft nach oben. Hier könnte man die langen Sommerferien nützen, um Versäumtes nachzuholen.

Die Krise hat Österreich vor Augen geführt, was sein Bildungssystem kann – und künftig können muss. Das ist eine Chance. Man muss sie nur nutzen. (Petra Stuiber, 3.7.2020)