Zwischen Musik und Krisenmanagement: Kontrabassist Michael Bladerer und Geiger Daniel Froschauer.

Philharmoniker

Philharmonikervorstand Daniel Froschauer und Geschäftsführer Michael Bladerer sind auch auf der Suche nach den Abbados, den Boulez und Jansons der Zukunft. Dirigenten also, mit denen es in den nächsten Jahren enge Zusammenarbeit geben soll. Das Duo nennt Namen wie Alain Altinoglu, Jakub Hrůša, Lorenzo Viotti, natürlich auch Staatsopernmusikchef Philippe Jordan, aber auch den Komponisten Thomas Adès. Zudem hofft es, den Chef der Berliner Philharmoniker, Kirill Petrenko, begrüßen zu dürfen.

Kurz und wohl auch mittelfristig ist jedoch Dirigent Corona ihr unerwünschter, aber unvermeidlicher "Gast"; das können der Geiger Froschauer und der Kontrabassist Bladerer nicht verhehlen, die von ihren Kollegen unlängst in ihren Ämtern für drei weitere Jahre bestätigt wurden.

STANDARD: Der Shutdown hat wohl auch den Wiener Philharmonikern ökonomisch zugesetzt?

Bladerer: Ich nenne keine Finanzzahlen. Aber wir haben 36 Konzerte verloren, das sind schon gewaltige Dimensionen, wir sind ja auch ein Unternehmen. Wir klagen jedoch keine Sekunde, wir jammern nicht, wir sind in der Oper auf Kurzarbeit gewesen. Natürlich, wenn man wie wir 17 Angestellte hat, gibt es Sorgen. Wer weiß, wie lang das dauert? Noch ein Jahr oder zwei? Musikvereinschef Thomas Angyan hat uns von einer Videokonferenz erzählt, bei der deutsche Intendanten meinten, man würde auch das ganze Jahr 2021 nicht spielen können. Da waren wir fassungslos, da fängt es an zu rattern ...

Froschauer: Als Wiener Philharmoniker sind wir selbstständig, in der Oper sind wir natürlich angestellt. Da waren wir auf 80 Prozent des Gehaltes. Da sagen wir Danke.

STANDARD: Haben Sie Hilfsfonds in Anspruch genommen?

Bladerer: Nein, jetzt wäre das auch nicht richtig. Wenn das aber unendlich lange weitergeht, kann man darüber reden. Als letzten Ausweg. Die wirkliche Tragödie spielt sich ja in Amerika ab. Das Met-Orchester wurde gekündigt.

STANDARD: Die Besorgnis wegen steigender Infektionszahlen ist nun etwas zurückgekehrt. Das schon verschobene Sommernachtskonzert am 18. September wird stattfinden?

Froschauer: Zu hundert Prozent. Es wird aber kein Konzert für 100.000 Besucher wie bisher. Es werden so viele sein, dass man sie weit auseinandersetzen kann, falls eine zweite Welle kommt.

Bladerer: Wir werden zur Not einfach für die Leute im Fernsehen spielen, aber wir werden spielen. Wir werden sicher auch das Neujahrskonzert fürs TV spielen. Wenn wir den Donauwalzer geben, ist die Welt für Augenblicke in Ordnung. Da ist es egal, ob da nur 100 Leute im Saal sitzen.

STANDARD: Wie wird das im September an der Wiener Staatsoper im Orchestergraben, ungemütlich?

Bladerer: Nein, es ist ausreichend Platz. Es ist natürlich die Politik gefragt, die strenge Auflagen macht. Wenn da nur 1200 Personen reindürfen, heißt das, dass die Einnahmen nicht einmal die Hälfte betragen. Das muss man ausgleichen. Die Oper hat fast 1000 Angestellte. Die Personalkosten sind der Löwenanteil, es ist nicht die Frau Netrebko.

STANDARD: Im März wurde entschieden, dass nichts mehr stattfinden kann. Wie war das?

Froschauer: Wir haben drei Monate lang nicht gespielt ...

Bladerer: ... was es noch nie gegeben hatte.

Froschauer: Zunächst war da Fassungslosigkeit. Wir waren ja unterwegs mit dem Beethoven-Zyklus, haben das mit Andris Nelsons ausgekostet – er hat die Energie des Neujahrskonzertes mitgenommen. Aus dem wurden wir herausgerissen und kamen dann – wie alle – in den absoluten Stillstand. Zuletzt haben wir in München gespielt, da war es schon ungemütlich. Alle haben gespürt, dass da was kommt, dann ist es gekippt, wir fuhren mit dem Bus zurück. Letztlich aber waren wir froh, dass die Regierung in Österreich so schnell und so stark reagiert hat.

STANDARD: Dennoch haben auch Sie irgendwann begonnen, darauf zu drängen, dass Veranstaltungen endlich möglich werden.

Froschauer: Wir haben uns gefragt, was wir konstruktiv beitragen können. Unser Arzt hat uns zunächst Antikörpertests vorgeschlagen. Wir waren ja in China auf Tournee gewesen, bei der viele Kollegen krank wurden.

Bladerer: Wir waren tatsächlich in den letzten Oktobertagen in Wuhan. Es hätte ja sein können, dass Corona bereits früher schon dort aufgetaucht ist, wir es also womöglich hatten und damit schon durch wären. Es war aber nicht so. Niemand hatte Antikörper.

Froschauer: Dann haben wir auch die Aerosol-Studie gemacht und haben einen Notar hinzugezogen, damit das Hand und Fuß hat. So hat man gesehen, dass der Aerosol-Ausstoß nicht sehr weit reicht. Die Ergebnisse haben wir Gesundheitsminister Rudolf Anschober geschickt, der das interessant fand.

Wir haben zudem den Kanzler angerufen, weil wir eine Vision brauchten. Er hat gesagt, er nimmt die Anliegen in der Prioritätenliste weiter nach oben. Es gab dann auch ein zweites Gespräch mit Kurz, als die Fußballer schon spielen durften. Wir sagten ihm: Wie verstehen die Maßnahmen. Aber jetzt muss er uns helfen: Wie können wir verstehen, dass die Fußballer spielen können und wir nicht. Er hat gelacht, er war sehr nett.

STANDARD: So kam es dann aber doch zu den drei Konzertblöcken im Wiener Musikverein.

Froschauer: Alle wurden letztlich negativ getestet. Und: Nach den Proben haben wir gebeten, immer Masken zu tragen, Sicherheitsabstand zu wahren, vorsichtig zu sein, möglichst nicht U-Bahn zu fahren, wir waren Gefährder.

Es ist bei diesen Konzerten aber nicht um Geld gegangen. Keine Saalmiete wurde verlangt, wir spielten gratis, es gab keine Gagen. Es war einfach toll, wieder spielen zu können.

Bladerer: Nach dem ersten Konzert ist Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel zu Barenboim gegangen, der natürlich auch getestet war, und hat sich vor ihm niedergekniet und gesagt: "Danke, ich weiß jetzt, wie sich die Leute gefühlt haben mussten, 1955, als die Staatsoper wieder aufgesperrt hat."

Standard: Wann rechnen Sie mit der ersten Tournee?

Froschauer: Wir hoffen im Oktober, wir werden nach China, Taiwan, Japan und Korea fahren. Unser Arzt würde Tests mitnehmen lassen, und wir würden versuchen, das Orchester soweit es geht, abzuschotten.

Bladerer: Wir sind keine Propheten. Man glaubt, dass es in zwei Monaten möglich sein wird, einzureisen. Es bleibt aber auch die Frage, wie die Auflagen für die Veranstalter sein werden. Wenn die nur 30 Prozent des möglichen Publikums hineinlassen dürfen, wird das schwierig.

Froschauer: Ein wichtiger Tag wird so um den 20 August sein. Da müssen wir entscheiden.

(ljubisa Tosic,4.7.2020)