Männer, die gewalttätig gegen Frauen werden: Wenn wir richtig über die Angriffe und Tumulte in Favoriten sprechen wollen, dann müssen wir über Männergewalt reden und aufhören, das Problem ständig auf ethnische und religiöse Konflikte, auf Türken und Islam zu reduzieren. Genau das geschehe in der österreichischen Gesellschaft nach wie vor viel zu häufig, sagt die grüne Wiener Bezirksrätin und Berufsberaterin Zerife Yatkin gleich zu Beginn von "STANDARD mitreden".

Sie gibt ein Beispiel: Wenn ein Österreicher seine Frau ermorde, seit bis heute in den Medien oft von einem "Beziehungsdrama" die Rede. Bringe ein Türke seine Frau um, werde dagegen oft ebenso plump von "Ehrenmord" gesprochen.

Im Zentrum des interaktiven Talks standen diesmal die notwendigen Antworten auf die Gewalt in Favoriten. Das Thema beschäftigt die österreichische Innenpolitik schon seit Tagen: Innenminister Karl Nehammer will den Verfassungsschutz sowie Bundes-und Landeskriminalämter einschalten und die Rolle der Türkei hinter der Gewalt ermitteln lassen, Integrationsministerin Susanne Raab kündigt eine "Null-Toleranz-Politik an".

Keine Befehlsempfänger aus Ankara

Doch genau diese Reduzierung der Debatte auf Schlagworte sei wenig hilfreich – so argumentierten zumindest die beiden anderen geladenen Experten bei "STANDARD mitreden", der deutsche Politikwissenschafter Ismail Küpeli und die Rechtsextremismusforscherin Judith Goetz.

Die türkischen Vereine in Europa seien keine Befehlsempfänger aus Ankara, die polizeiliche Nachschau werde nicht viel bringen, sagte Küpeli. Die Beeinflussung geschehe indirekter, etwa indem Medien die politischen Debatten und Strömungen in der Türkei mit nach Österreich transportierten. Problematische Vereine zu finden, das sei zudem recht einfach möglich. Die meisten Verbände trügen problematische Slogans und Symbole offen vor sich her. Nur hätten die politisch Verantwortlichen es bisher verabsäumt, genau hinzusehen.

Schutz der Frauen

Judith Goetz schilderte, wieso rechtes Gedankengut bei jungen Männern mit türkischem Migrationshintergrund so gut ankomme: Hier treffe eine idealisierte Männlichkeit mit eigenen Erfahrungen der Ausgrenzung zusammen. Rechte Gruppen und rechtes Gedankengut böten den jungen Männern eine Möglichkeit der Identifikation.

Und sie kritisierte die ÖVP: Diese zeige sich nur dann antipatriarchal, wenn es um Migranten gehe. Und viele Vorschläge, die nun kämen, seien verkehrt. "Nun heißt es, die Polizei soll gezielt Schulungen anbieten für Menschen mit Migrationshintergrund. Warum wird nicht stattdessen endlich die Polizei in Antirassismus geschult?", fragte Goetz.

Wo die Parallelen zwischen den Identitären und den Grauen Wölfen liegen, wie die Integrationspolitik richtige Antworten auf die Eskalation in Favoriten finden könnte und wie eine kluge Arbeit mit potenziellen Tätern und effektiver Schutz der Frauen aussehen muss: Finden Sie die Anworten in unserem Videotalk! (Text: András Szigetvari, Video: Ayham Yossef, 6.7.2020)