Yehuda Bauer nimmt die Wurzeln des heutigen, radikal-islamischen Antisemitismus ohne bevormundende Attitüde in den Blick.

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Auf die Frage, ob der Holocaust hätte verhindert werden können, antwortet der große israelische Historiker Yehuda Bauer ohne zu zögern mit "Ja!": Frankreich und England hätten Nazideutschland in den 1930ern nachhaltig in die Schranken weisen können. Bauer, noch immer aktiv im "International Centre for Holocaust Studies" am Yad Vashem, zählt heute 94 Jahre.

Seine Analyse des radikalislamischen Antisemitismus – ein Monster in tausenderlei Gestalt – verzichtet auf bevormundende Kurzschlüsse. Nicht jeder Einwand, der gegen die israelische Regierungspolitik erhoben wird, müsse als antisemitisch gelten. Doch dort, wo man vom "illegitimen Staat" spricht, verschafft sich häufig genug ein genozitäres Anliegen Luft. Israel, so heißt es dann, soll "ausgelöscht" werden.

Die Bewegung "Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen" (BDS), so argumentiert Bauer im Anhang zu seinem ungemein fundierten Essay "Der islamische Antisemitismus", vergleiche Israel mit dem südafrikanischen Apartheidregime. Bauer hält die Analogie für irrig: Niemand führte damals die Vernichtung der südafrikanischen Republik als solcher im Schilde. Niemand schlug vor, die Holländer aus dem Land nördlich des Kaps der Guten Hoffnung zu vertreiben. Yehuda Bauer beunruhigt die Boykottbewegung. Aber er sagt auch: "Zum Glück bewirkt sie nichts. Israels Wirtschaft geht es wunderbar."

Grassierendes Gift

Das grassierende Gift des radikalislamischen Antisemitismus spürt Bauer nicht nur in der Frühzeit der muslimischen Gründungsgeschichte auf. Der Historiker, dessen Werk "Der Tod des Schtetls" zu den erschütternden Zeugnissen der osteuropäischen Vernichtungskampagne gegen jüdisches Leben zählt, legt die Quellen antisemitischer Hassprediger offen.

Von Mohammeds Aktivitäten gegen jüdische Stämme im 7. Jahrhundert führt ein gewundener Weg hin zur Ausfälligkeit diverser Hassprediger gegen die Juden. Zum einen würden diese als Urheber westlicher Dekadenz gebrandmarkt, als heimliche Weltregenten, die sich an den Schalthebeln der Macht die Schwächung der muslimischen Sache angelegen sein ließen. Zum anderen aber wird die "Endlösung" der Nazis noch heute bejubelt – um sofort darauf geleugnet zu werden.

Bauers Genealogie ist aufschlussreich, sie enthält zugleich den einzigen überzeugenden Ansatz zur Abhilfe von diesem Krebsübel. Die Gleichberechtigung der Muslime ist unabdingbar, und sie sei nur durch den vereinten, demokratischen Kampf gegen Islamophobie zu erreichen. (Ronald Pohl, 7.7.2020)