Eosinophile Granulozyten gehören zu den weißen Butkörperchen und sind an der zellulären Immunabwehr beteiligt. Auf den alternden Organismus haben sie offenbar eine verjüngende Wirkung.
Illustr.: Blausen Medical

Über 700 Todesfälle hat Österreich durch die Lungenerkrankung Covid-19 zu beklagen, 640 davon waren über 65 Jahre alt. Warum gerade ältere Menschen so gefährdet sind, liegt unter anderem daran, dass mit zunehmendem Alter die Immunabwehr nicht mehr einwandfrei funktioniert. Da das Immunsystem von älteren Menschen auch nicht mehr optimal auf Impfungen anspricht, gelten sie als Hauptrisikogruppe für die Ansteckung mit Erregern wie Sars-CoV-2. Es ist auch der Grund für die höchste Sterberate aller Altersgruppen.

Abgesehen davon kommt es neben immunologischen Verlusten im Alter oft zu Muskelschwäche und damit verbundenen Einbussen in der Lebensqualität. Obwohl unsere durchschnittliche Lebensdauer kontinuierlich ansteigt, leben viele Menschen im hohen Alter alles andere als beschwerdefrei. Abhilfe könnte hier eine Entdeckung schaffen, die ein internationales Wissenschafterteam bei Tierversuchen gemacht habt: Werden einem alternden Organismus bestimmte Immunzellen zugefügt, kann dies eine verjüngende Wirkung haben.

Zwei unterschiedliche Färbemethoden bringen die eosinophilen Granulozyten (rote Pfeile) im menschlichem Bauchfett ans Licht. AD: Adipozyten (Fettzelle), V: Blutgefäss.
Fotos: DBMR, Universität Bern, D. Brigger

Kostbare Immunzellen im Bauchfett

Schon lange wird vermutet, dass chronische Entündungszustände wesentlich zum Alterungsprozess und den damit verbundenen alterstypischen Erkrankungen beitragen. Die Gruppen um Mario Noti und Alexander Eggel von der Universität Bern hat jene Immunzellen aufgespürt, die die chronisch-unterschwelligen Entzündungen normalerweise in Schach halten sollen. Diese sogenannten eosinophilen Granulozyten, oder kurz Eosinophile, kommen vorwiegend im Blut vor, sind aber auch im Bauchfett von Menschen und Mäusen zu finden, wo sie Entzündungsprozesse regulieren.

Eosinophile sind Zellen des angeborenen Immunsystems und wehren unter anderem Parasiten ab, können aber durch eine überschießende Reaktion auch zu Atemwegserkrankungen führen. Mit zunehmendem Alter sinkt der Anteil von eosinophilen Zellen im Fettgewebe, während die Anzahl an entzündungsfördernden Makrophagen zunimmt. Wie die Forscher nun im Fachjournal "Nature Metabolism" berichten, ist diese Verschiebung der Immunzell-Balance letztlich dafür verantwortlich, dass Bauchfett im Alter zum chronischen Entzündungsherd wird. Aber was ist, wenn man die sinkende Zahl an eosinophilen Zellen künstlich ausgleicht?

Mit zunehmendem Alter reduziert sich der Anteil an Eosinophilen im Fettgewebe. Dies führt zu Entzündungen, die zu Gebrechen und Immunschwäche beitragen. Die eosinophile Zelltherapie reduziert die Entzündungen – es kommt zu einer Verjüngung des Organismus.
Grafik: DBMR, Universität Bern, D. Brigger

Verjüngende Wirkung auf betagte Mäuse

Die Forscher um Eggel und Noti machten sich gleich daran herauszufinden, ob es möglich ist, altersbedingte Degenrationen rückgängig zu machen, indem man das Immunzell-Gleichgewicht im viszeralen Fettgewebe wieder herstellt – und sie wurden nicht enttäuscht: "In unseren Versuchen konnten wir zeigen, dass im Mausmodell Transfers von Eosinophilen aus jungen Tieren in gealterte Empfänger Entzündungen nicht nur im Bauchfett, sondern im gesamten Körper unterdrücken können", sagt Eggel. "Erstaunlich war dabei die Beobachtung, dass die transferierten Eosinophilen selektiv den Weg ins Fettgewebe fanden", meint Noti.

Letztlich zeigte sich, dass dieser Ansatz tatsächlich eine verjüngende Wirkung auf den alternden Organismus hatte. So erwiesen sich alte Tiere nach der eosinophilen Zelltherapie in Ausdauer- und Greifkrafttests deutlich gestärkt, waren also physisch fitter. Zudem hatte die Therapie einen verjüngenden Effekt auf das Immunsystem, indem eine verbesserte Impfantwort in alten Tieren generiert werden konnte.

Vergleichbarer Mechanismus beim Menschen

"Unsere Resultate zeigen deutlich auf, dass der Alterungsprozess und die damit verbundenen degenerativen Begleiterscheinungen plastischer sind als bisher angenommen", sagt Noti. Die im Tiermodell beobachtete Verschiebung der Immunzell-Balance im Fettgewebe konnten die Wissenschafter auch beim Menschen bestätigen. "Ziel unserer Forschung ist nun, diesen Erkenntnisgewinn für die Entwicklung geeigneter Therapieansätze zur Erhaltung von Gesundheit und Vitalität im Menschen zu nutzen", sagt Eggel. Ein Erfolg auf diesem Gebiet könnte – freilich erst in vielen Jahren – vielleicht auch die Sterblichkeit bei Infektionskrankeiten wie Grippe oder Covid-19 senken helfen. (red, 7.7.2020)