In einer Pressekonferenz nennt Carrie Lam das umstrittene Gesetz "relativ mild".

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Die Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam will das umstrittene chinesische Sicherheitsgesetz für die Sonderverwaltungszone mit harter Hand durchsetzen. "Die Regierung von Hongkong wird dieses Gesetz rigoros umsetzen", sagte Lam am Dienstag auf einer Pressekonferenz. Sie warnte "Radikale" vor "sehr ernsthaften Konsequenzen", sollten sie gegen das seit einer Woche geltende Gesetz verstoßen.

Bei Protesten waren in den vergangenen Tagen bereits mehrere Menschen aufgrund des neuen Gesetzes festgenommen worden. Auch wurden auf Basis des Gesetzes am Freitag erstmals formelle Anschuldigungen wegen "Terrorismus" und "Anstachelung zur Abspaltung" erhoben. Sie richten sich gegen einen 23-Jährigen, der mit einem Motorrad in eine Gruppe Polizisten gefahren sein soll.

50 Jahre Sonderrechte für Hongkong

Das Sicherheitsgesetz greift nach Ansicht von Kritikern massiv in Hongkongs Autonomierechte ein. Nach dem Grundsatz "Ein Land, zwei Systeme" waren der Finanzmetropole bei ihrer Übergabe an China im Jahr 1997 für 50 Jahre Sonderrechte gewährt worden, darunter Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

Joshua Wong, ein führender Demokratie-Aktivist Hongkongs, erzählt in einem exklusiven Interview mit dem ORF: "Vergangene Woche ist ein junger Aktivist festgenommen worden, der an keinem Protest teilgenommen hat. Aber auf seiner Handyhülle war eine Aufschrift: 'Revolution jetzt, befreit Hongkong'" Das gesamte Gespräch mit dem Aktivisten soll heute Abend in der Zeit im Bild 2 ausgestrahlt werden.

In Hongkong ist das umstrittene Sicherheitsgesetz in Kraft getreten. Aus diesem Anlass wollen einige Internetkonzerne und Chatplattformen Anfragen der Behörden zu Nutzer-Daten nicht mehr beantworten oder ihren Betrieb vor Ort einstellen.
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Lam verteidigt Gesetz

Schon Slogans wie dieser sind laut dem neuen Gesetz illegal. Auf Grundlage des Gesetzes kann Peking gegen Aktivitäten in Hongkong vorgehen, die es als subversiv, separatistisch, terroristisch oder als Verschwörung mit ausländischen Kräften einstuft. Das Gesetz war als Reaktion auf die monatelangen und teilweise gewalttätigen Proteste der Demokratiebewegung im vergangenen Jahr verabschiedet worden. Diese Bewegung richtet sich gegen den wachsenden Einfluss Pekings in der früheren britischen Kronkolonie.

Lam verteidigte das Gesetz auf der Pressekonferenz am Dienstag erneut: Es werde Stabilität und Vertrauen wiederherstellen, sagte sie. Behauptungen, die Freiheiten der Finanzmetropole würden dadurch untergraben, seien "Trugschlüsse". "Sicherlich ist dies nicht der Untergang Hongkongs", fügte sie hinzu.

Radikalster Einschnitt in Hongkongs Rechte

Das Sicherheitsgesetz ist der radikalste Einschnitt in Hongkongs Rechte seit der Übergabe an China 1997. Viele Hongkonger haben aus Angst vor Strafverfolgung inzwischen pro-demokratische Inhalte aus ihren Konten in Onlinenetzwerken gelöscht. Geschäfte nahmen Protestschilder aus ihren Schaufenstern und Bibliotheken entfernten Bücher von Demokratie-Aktivisten aus ihren Regalen.

Lam sieht die Bürger Hongkongs dennoch nicht in Alarmbereitschaft. "Ich habe in der vergangenen Woche keine weit verbreitete Angst bei den Hongkongern gesehen", sagte sie. "Dieses nationale Sicherheitsgesetz ist tatsächlich relativ mild." Es diene dazu, die Freiheiten der Bevölkerungsmehrheit zu schützen. (APA, 7.7.2020)