Die Polizei soll die Gesundheitsbehörden bei der Ermittlungen von "allfälligen Krankheitssymptomen" unterstützen.

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In der Nacht auf Dienstag spielte die türkis-grüne Regierung der Polizei außertourlich mehr Kompetenzen zu. Konkret wurde per Ausschussantrag zum Konjunkturstärkungsgesetz beschlossen, dass die Polizei künftig bei der Erhebung von Krankheitssymptomen bei Corona-Verdachtsfällen mitwirken soll. Die Opposition, die offensichtlich erst am selben Abend erfuhr, dass dies per Sammelantrag beschlossen werden soll, schäumt.

Angedacht ist dafür eine Änderung im Epidemiegesetz. Es soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass die Polizei die zuständigen Gesundheitsbehörden auch bei der Ermittlung von "allfälligen Krankheitssymptomen" von "kranken, krankheitsverdächtigen oder ansteckungsverdächtigen Personen" unterstützt, wie es in dem türkis-grünen Antrag heißt. In diesem Auftrag dürften Polizisten laut Gesundheitsministerium künftig in das Melderegister einsehen, die so ermittelten Personen kontaktieren und sie etwa nach ihrem Gesundheitszustand befragen. Darüber hinaus aktiv werden dürften sie nicht, sondern müssten die Gesprächsergebnisse der Gesundheitsbehörde übermitteln. Diese allein entscheide über alle weiteren Schritte.

"Absurd und inakzeptabel"

Der SPÖ-Abgeordnete Reinhold Einwallner sprach tags darauf im Parlament von einem "hinterlistigen Trick", dass das Epidemiegesetz gemeinsam mit völlig anderen Materien im Ausschuss vorgelegt wurde. Er kritisiert zudem die Pläne an sich: "Sie wollen die Polizei noch damit belasten, dass sie Krankheitssymptome kontrolliert." FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak hält die Abfrage von gesundheitsbezogenen Daten "unbescholtener" Bürger für verfassungswidrig. Sein Pendant bei den Neos, Gerald Loacker, befürchtet, dass alle gemeldet werden, die vor der Polizei husten, schnupfen und schwitzen. "Das ist völlig absurd", sagte Loacker. Die Ärztekammer klagt, dass die "medizinische Diagnose keine Aufgabe der Polizei ist".

Im Plenum eingebracht wurde die Gesetzesänderung übrigens noch nicht, weil am Dienstag die 24-Stunden-Frist noch nicht erfüllt war. Wann diese im Nationalrat vorgelegt wird, sei noch "in Klärung", war zu hören.

Nur einzelne Gebiete isolieren statt Lockdown

Der grüne Sprecher für Budget und Steuern, Jakob Schwarz, erklärte dem STANDARD, dass die Dringlichkeit, das Gesetz so schnell durch den Ausschuss zu bringen, mit den steigenden Infektionszahlen zu tun habe. Dass die Regierung der Polizei dabei mehr Kompetenzen einräumen möchte, habe damit zu tun, dass das Contact-Tracing, also die Rückverfolgung von Kontaktpersonen eines Infizierten, "sehr schnell laufen muss", sagte Schwarz. Die Gesundheitsbehörden kämen bei größeren Clustern aktuell nicht nach. Daher habe man sich für diese Variante entschieden, um auch bei hohen Infektionszahlen nur einzelne Gebiete (Contact-Tracing-Zonen) zu isolieren, anstatt wieder in Richtung eines Lockdowns zu gehen.

Im Büro von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) kann Sprecherin Margit Draxl "die entstandene Aufregung nicht nachvollziehen". Die Polizei werde durch die neue Regelung nicht befähigt, Ausschau nach Covid-19-Symptomträgern zu halten. Vielmehr solle sie die Gesundheitsbehörden beim Contact-Tracing unterstützen – also im Auftrag dieser Behörden Personen ausfindig machen, die das Virus möglicherweise in sich tragen. (Jan Michael Marchart, Irene Brickner, 7.7.2020)