In Österreich sind Hasspostings vor allem in der Politik ein Dauerbrenner.

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Masken bringen nichts, Flüchtlinge seien an der Verbreitung schuld, und der Mobilfunkstandard 5G hat überhaupt dafür gesorgt, dass unsere Immunsysteme so schwach sind: Die aktuelle Krise hat Desinformation und Hass im Netz wieder in den Mittelpunkt des öffentlichen Diskurses gedrängt. Würde man auflisten, auf welchen Plattformen der Glaube an solche Botschaften am ehesten entsteht, würde Facebook vermutlich ganz oben stehen. Der Konzern hat mit Facebook selbst, Instagram und Whatsapp eine massive Nutzerzahl – doch demgegenüber stehen aus der Sicht von Kritikern eine viel zu laxe Moderation sowie die Verwendung von Algorithmen, die User immer mehr in Filterblasen drängen. Das gilt nicht nur für Desinformation, sondern auch für Hass, Rassismus und Hetze.

Hunderte Unternehmen

Seit Jahren wird dem sozialen Medium vorgeworfen, eine tragende Rolle in der Spaltung der Gesellschaft zu spielen. Die Kritik hat im Zuge der #BlackLivesMatter-Bewegung und der damit einhergehenden Demonstrationen gegen Rassismus nun auch die Werbebranche erreicht. Die ursprünglich von NGOs gestartete Initiative #StopHateForProfit ruft dazu auf, keine Werbung mehr bei Facebook zu schalten, solange das Unternehmen weiter nichts tut, um gegen Hass auf seinen Plattformen vorzugehen. Dem Aufruf sind mittlerweile über 800 Firmen gefolgt, unter ihnen Konzerne wie Unilever, Starbucks und Coca-Cola.

Die Forderung: Facebook möge mehr gegen Hass tun und dafür sorgen, dass er langfristig von der Plattform verschwindet. Damit will die Initiative den US-Konzern dort treffen, wo es wirklich wehtut – nämlich bei den Einnahmen. Denn die bestehen zu einem großen Teil aus Werbegeldern.

"Baldiges" Ende erwartet

Ob das Facebook langfristig treffen wird, ist offen. Der Aktienkurs reagierte jedenfalls empfindlich, zeitweise sank er um neun Prozent. Facebook-Chef Mark Zuckerberg macht sich allerdings wenig Sorgen: Er rechnet "schon bald" mit einem Ende des Boykotts. "Ich glaube, die Werber werden schon bald wiederkommen", soll er laut dem Rechercheportal The Information bei internen Gesprächen gesagt haben. Er befürchtet eher, dass die Kampagne dem Ruf des Unternehmens schadet. Öffentlich kommuniziert Facebook ebenso bedeckt, man würde seine Regeln basierend auf eigenen Prinzipien ändern, nicht aber auf finanziellen Druck reagieren. Sprecher erklären auf Anfrage, dass man mit den werbenden Unternehmen im Austausch stehe.

Was genau die Firmen wollen, ist ebenso eine Gretchenfrage, denn die Forderungen wurden bisher eher allgemein gehalten: Als der Spiegel fünf Unternehmen fragte, welche Veränderungen sie eigentlich von Facebook erwarten, hielten sie sich eher vage – Adidas wolle noch Kriterien entwickeln, Henkel erwarte eine "Veränderung", SAP will ein "deutliches Signal" gegen Hass und Siemens verweist auf #StopHateForProfit, wo wiederum beispielsweise der Einsatz externer Prüfer vorgeschlagen wird.

Nicht nur Altruismus

Altruismus dürfte jedenfalls nicht als der Hauptgrund betrachtet werden, weswegen so viele Firmen bei dem Boykott mitmachen. Der Zeitpunkt spielt nämlich eine entscheidende Rolle: Aufgrund der Corona-Krise sind die Werbebudgets vieler Unternehmen eher knapp bemessen. Das legt nahe, dass eine Begrenzung der Ausgaben bei Facebook so oder so stattgefunden hätte – durch einen gänzlichen Boykott können sich Coca-Cola und Konsorten nun aber zusätzlich als moralische Instanz und Verfechter positiver Veränderung inszenieren.

Gesetz gegen Hass im Netz in Arbeit

Auch hierzulande sind Hasspostings vor allem in der Politik ein Dauerbrenner: Kaum jemand, der soziale Netzwerke verwendet, bleibt davon verschont, Beiträge zu sehen, die eigentlich gesetzeswidrig sind.

Für Betroffene sind sie oft eine Qual. Wie mit dieser Entwicklung umgegangen werden soll, bleibt aber umstritten: Bisherige Bestreben wurden vor allem aus netzpolitischer Perspektive in Kritik gestellt.

Aktuell arbeitet das Justizministerium an einem Entwurf, der sich an dem Regierungsprogramm orientiert. Dieses sieht zahlreiche Maßnahmen vor, die sich mit dem deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) decken, welches 2017 verabschiedet wurde, um Hass im Netz einzudämmen. Beispielsweise will die türkis-grüne Regierung eine Löschverpflichtung für Plattformen einführen sowie die Pflicht zu einem Beschwerdeverfahren und dem Einsatz eines Zustellungsbevollmächtigten in Österreich. Ein finaler Gesetzesentwurf soll noch heuer vorgestellt werden. (Muzayen Al-Youssef, 7.7.2020)