Am Samstag wurde in Gerasdorf ein Tschetschene auf offener Straße erschossen.

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Gerasdorf bei Wien / Korneuburg – Der mutmaßliche Schütze im Mordfall Martin B., der am Samstag in Gerasdorf bei Wien getötet wurde, dürfte eine kriminelle Vorgeschichte in der Ukraine haben. Eine Person mit dem Namen und dem Geburtsdatum des 47-Jährigen ist wegen Waffenschmuggels 2013 in der Westukraine zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden.

Laut ukrainischem Gerichtsurteil war Sar-Ali A. Ende Februar 2013 während der Fahrt von Österreich nach Russland an einem Grenzübergang im Westen der Ukraine verhaftet worden. Im Benzintank seines Volkswagens hatten die Grenzer 1.000 Patronen des Kalibers .45 ACP gefunden. Es folgte eine Anklage wegen Schmuggels und illegalen Waffenbesitzes, die im August 2013 zu einer Verurteilung führte.

Der ukrainische Ex-Politiker Ihor Mossijtschuk, ein Bekannter des erschossenen Martin B., erklärte am Dienstag, A. habe seine Haftstrafe in der Nähe von Charkiw verbüßt.

Biografische Details

Das der APA vorliegende Urteil referiert gleichzeitig auch biografische Details: Sar-Ali A. stammt demnach aus dem tschetschenischen Ort Urus-Martan und war 2013 als Arbeiter bei einer mutmaßlichen Leiharbeitsfirma in Linz beschäftigt. Die Rede war auch von Sorgepflichten für eine Ehefrau und fünf minderjährige Kinder.

Gegenüber den ukrainischen Behörden gab sich A. als ehemaliger Polizist und Kriegsveteran aus. Er sprach von Plänen, permanent nach Tschetschenien zurückzukehren, um in der Heimat seine persönliche Sicherheit sowie die Sicherheit seiner Familie sicherzustellen. Die beschlagnahmten Patronen seien ein Gelegenheitskauf bei einem Bekannten gewesen, erklärte er.

Angaben über den Zeitpunkt von A.s Entlassung scheinen im öffentlichen ukrainischen Gerichtsregister indes nicht auf. Laut Quellen im Internet wurde sein VW Golf mit Kennzeichen Linz-Land im März 2016 im westukrainischen Luck versteigert. Ein zeitlicher Zusammenhang mit seiner Entlassung scheint möglich.

Mordfall mit Folgen

Der Mordfall erregte auch international Aufsehen. Erst am Dienstag forderte Schwedens Ex-Regierungschef Carl Bildt eine "europäische Antwort" auf eine "Serie von Mordanschlägen auf Exil-Tschetschenen quer durch Europa, durchgeführt von russischen Agenten". Der getötete B. war ein bekannter Kritiker des tschetschenischen Regionalpräsidenten Ramsan Kadyrow, der im Verdacht steht, den Mord in Auftrag gegeben zu haben. Wie bekannt wurde, sorgte sich das Opfer um seine Sicherheit – B. bemühte sich Tage vor seiner Ermordung um eine Schutzweste.

Am Dienstag protestierten rund 100 Tschetschenen vor der russischen Botschaft in Wien gegen russische Einflussnahme und politische Morde. (APA, 8.7.2013)