Es gibt kaum ein Problem, für das nicht mittlerweile irgendein Hersteller eine passende App entwickelt hat. "There's an app for that" gilt im angloamerikanischen Raum als geflügeltes Wort. Die deutsche Rechts-außen-Partei AfD hat nun sogar eine App für eine App entwickelt.

Das kostenpflichtige Programm "Späher-App" ist seit kurzem im Google Play Store für Android-Geräte zu haben. Es soll warnen, wenn Nutzer der offiziellen deutschen "Corona-Warn-App" in der Nähe sind. Der Preis dafür: 1,19 Euro und möglicherweise auch die eigenen Standortdaten.

Peter Felser

Scan zeigt Corona-Warn-App-Nutzer in der Umgebung

Das AfD-Tool scannt Bluetooth-Signale in der Umgebung und versucht dabei jene, die von der Corona-Warn-App versandt werden, zu identifizieren. Es informiert unmittelbar darüber, wie viele User der App sich in der Nähe aufhalten, und protokolliert dabei auch deren zufällig generierte Nutzer-IDs, die sich allerdings alle 20 Minuten ändern. Diese Begegnungen werden auch mit Informationen über die geschätzte Entfernung und die Dauer des Kontakts gespeichert. Nach diesen Kriterien kann das Protokoll schließlich gefiltert werden.

In einem kurzen Test mit zwei Handys konnte das Programm auf dem ersten Gerät korrekt die laufende Warn-App auf dem zweiten Telefon identifizieren. Die ungefähre Distanzmessung erwies sich allerdings als recht ungenau. Trotz lediglich 30 Zentimetern Abstand schwankte die Angabe der App zwischen rund drei und sieben Metern.

Foto: DER STANDARD/Pichler

GPS-Standortabfrage theoretisch möglich

Die Entwickler übernehmen laut Disclaimer "keinerlei Garantie über die Richtigkeit der dargsetellen [sic!] Informationen". Sie weisen auch darauf hin, dass es aufgrund der regelmäßigen ID-Wechsel der Corona-Warn-App zu einer Mehrfachzählung von Kontakten kommen kann.

Verwunderlich ist allerdings, dass die "Späher-App" nach mehr Berechtigungen verlangt als die Corona-Warn-App. Während Letztere zur Ermittlung von anderen Nutzern und den ungefähren Abständen ausschließlich auf Bluetooth setzt, verlangt die AfD-App auch Berechtigungen für die Ermittlung des Standorts via GPS.

Beim Start des Scans lieferte das Android-System am Testhandy (Realme X50 Pro) eine Rückfrage, ob man der App nun die Standortabfrage erlauben will. Stimmt man zu, so scheint es aber in der aktuellen Version dennoch nicht zu einer GPS-Standorterfassung zu kommen, da systemseitig kein entsprechendes Icon eingeblendet wird, das zum Beispiel nach dem Öffnen von Google Maps sehr wohl zu sehen ist. Es bleibt unklar, ob und wie die GPS-Abfrageberechtigung verwendet und wozu sie überhaupt angefordert wird. Eine grobe Standortermittlung – die im ländlichen Bereich aber mitunter um mehrere Kilometer abweichen kann – ist allerdings über Mobilfunkmasten und erkannte WLANs möglich.

Foto: Screenshot

Laut Datenschutzerklärung der App werden von den Betreibern "keine Daten über Zugriffe auf das Angebot" erhoben, und die Verwendung ist "ohne Angabe personenbezogener Daten" möglich. Im Weiteren verweist man auf deutsche Datenschutzgesetze.

Unklare Zielsetzung

Das Tool soll laut AfD der "Transparenz" dienen, da man "sehr skeptisch" gegenüber der offiziellen Warn-App ist, erläutert Peter Felser, Vizevorsitzender der AfD-Fraktion im deutschen Bundestag, im Vorstellungsvideo. Die von ihm aufgeworfenen Fragen – "Was passiert eigentlich mit dieser App?" und "Wo wird sie eingesetzt?" – werden mit dieser Software allerdings gemäß dem kurzen Testeindruck höchst unzureichend beantwortet. Auch über die von ihm angezweifelte Sicherheit der Corona-Warn-App gibt sie keine Auskunft. Datenschutzexperten haben dem Contact-Tracing-Programm des Robert-Koch-Instituts allerdings ein prinzipiell gutes Zeugnis ausgestellt.

In einigen Monaten möchte man eine Auswertung mithilfe der "Späher-App" vornehmen. Das wirft weitere Fragen auf, zumal – wie erwähnt – laut Datenschutzerklärung angeblich gar keine Nutzungsdaten erhoben werden.

Foto: Screenshot

Bislang kaum genutzt

Die Beliebtheit der App hält sich bislang in Grenzen. Derzeit hält sie bei 100 bis 500 Downloads. Laut Felser wurde in die Entwicklung der App ein fünfstelliger Betrag investiert. Alle Einnahmen über den Play Store sollen der Kostendeckung dienen, alle Beträge darüber hinaus sollen in die politische Arbeit der Partei fließen. Im Moment ist die "Späher-App" aber noch weit davon entfernt, ihre proklamierten Kosten hereinzubringen.

Wenngleich das Programm im Test funktionierte, scheint die Erkennung von Handys mit aktivierter Corona-Warn-App für einige andere User nicht zu klappen. In den Rezensionen im Play Store häufen sich bislang Beschwerden über Nicht- und Fehlerkennungen. Die Durchschnittsbewertung der "Späher-App" – am Abend des 8. Juli waren es 1,9 von fünf möglichen Sternen – fällt dementsprechend schlecht aus. (gpi, 9.7.2020)