In Ulrike Ottingers "Prater" wird die Weltstadt Wien ihrer Milieuhaftigkeit überführt: im Bild Elfriede Jelinek, noch ohne Nobelpreis, aber mit Affe.
Foto: kurt mayer film

Das Open-Air-Kino im Augarten ist in Wien als Location für Sommerkino bestens eingeführt. In diesem Jahr sind die Umstände allerdings aus naheliegenden Gründen nicht ganz gewöhnlich. Das Filmarchiv Austria hat aber bewusst den zeitlichen Horizont besonders weit geöffnet und präsentiert in den kommenden Wochen unter dem Titel Wien wie noch nie eine Schau mit Filmen über die österreichische Hauptstadt, mit der man mehr oder weniger die ganzen 125 Jahre Filmgeschichte durchlaufen kann. Und damit auch Stadtgeschichte, Mentalitätsgeschichte, Schmähgeschichte, Klischeegeschichte.

Unumgängliche Klassiker wie Der dritte Mann oder Exit ... nur keine Panik sind natürlich vertreten, dazu wegweisende neuere Filme wie Barbara Alberts Nordrand oder der Jugofilm von Goran Rebić. In einigen Fällen diente Wien als Schauplatz für internationale Produktionen, zum Beispiel bei dem heutigen Kultfilm Before Sunrise von Richard Linklater, bei dem eine ganze Szenegeneration Anlass hat, nach sich selbst in winzigen Komparsenrollen Ausschau zu halten, oder aber auch einem Thriller wie Scorpio – Der Killer mit Burt Lancaster.

Wiener Naschmarkt oder Heimkino

Wie der Naschmarkt sich früher angefühlt hat, bekommt man mit Gänsehautgefühl in Liliana Cavanis Der Nachtportier mit, einem Versuch über den Eros des Faschismus. Die Filme werden alle in analogen Kopien gezeigt, immer wieder mit digitalen Ergänzungsangeboten versehen: Die Saturnalien, erotische Kurzfilme 100 Jahre vor Youporn, kann man sich unter freiem Himmel wie auch im Streaming-Heimkino des Filmarchivs ansehen.

Ein kleiner Schwerpunkt findet sich bei Filmen, die man als Einzelhits sehen könnte und die zusammen eine Subgeschichte der populären Kultur bilden: Wienerinnen – Schrei nach Liebe ist inzwischen bereits gut geläufig als eigenwillige Variante von etwas, was man nicht einfach als Schund abtun sollte; das gilt auch für Geißel des Fleisches von Eddy Saller oder Georg Tresslers Unter achtzehn.

In den 1980er-Jahren, der Bürgermeister hieß Helmut Zilk, kam sogar James Bond nach Wien: Timothy Dalton fuhr in Ausgabe 15 der Agentenfilmserie einen Audi mit dem Kennzeichen W 207.182, er ging also so diskret vor, nicht durch eine noble Nummer auffallen zu wollen. Wer nach einer Synthese sucht, findet sie ausgerechnet im Prater: Ulrike Ottinger zeigt Wien, wie es sich einer Fremden darstellt. Als Weltstadt mit Milieu. (Bert Rebhandl, 9.7.2020)