Foto: Ungarische Botschaft in Wien / Screenshot

Die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich hat am Mittwoch Kritik am Umgang der ungarischen Botschaft in Wien mit österreichischen Medien geübt. Diese hatte Ende Mai mehreren Medien, darunter auch DER STANDARD und die APA, einen gleichlautenden Brief mit der Aufforderung geschickt, sich bei Ungarns Regierung und Bevölkerung "zu entschuldigen".

"Verzerrtes Bild der Lage"

Der von Botschafter Andor Nagy unterzeichnete Brief, der auch auf der Homepage der Botschaft veröffentlicht wurde, übte harte Kritik an der Berichterstattung in Österreich über die Coronakrise in Ungarn und insbesondere über die Einführung eines auch international umstrittenen Notstandsgesetzes. Die Medien Österreichs hätten demnach die Leserschaft bezüglich der Notstandsmaßnahmen in Ungarn "in die Irre geführt" – weil sie entweder "falsche Informationen gutgläubig aus anderen Quellen weitergegeben" hätten oder weil sie "vorsätzlich ein verzerrtes Bild der wirklichen Lage bieten wollten".

Zum Abschluss schreibt Nagy: "(Ich) möchte (...) Ihnen, da die obigen Äußerungen sich nunmehr eindeutig als unbegründet erwiesen haben, die Möglichkeit anbieten, sich wegen der wiederholten Äußerung dieser Behauptungen zu entschuldigen. Diese Entschuldigung schulden Sie nicht nur der gewählten Regierung Ungarns, sondern auch der großen Mehrheit der ungarischen Bevölkerung." Auf die konkrete Kritikpunkte in der Berichterstattung der einzelnen Medien ging der Brief nicht ein.

"Autoritär und gönnerhaft"

RSF sieht in dem Schreiben laut einer Aussendung vom Mittwoch einen "Versuch, auch die kritische Berichterstattung in ausländischen Medien 'einzudämmen'." "Die Botschaft ist: Wir bestimmen, was wahr ist. Kritiker werden abgestraft, öffentlich an den Pranger gestellt, gemaßregelt. Die Geste ist autoritär und gönnerhaft", kommentierte der frühere ARD-Südosteuropakorrespondent Stephan Ozsváth in der Aussendung den Brief des Botschafters. RSF Österreich verweist dabei auch auf den 89. Platz Ungarns im Pressefreiheits-Ranking 2019 von Reporter ohne Grenzen, wie auch auf den derzeitigen Kampf der größten ungarischen Nachrichtenplattform index.hu um die Unabhängigkeit. (APA, red, 8.7.2020)