Ist es eine gute Idee, nachhaltige Investmentprodukte von der KESt zu befreien? Davon sind nicht alle überzeugt.
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Für Steuerzuckerln sind Österreicher in der Regel durchaus empfänglich – erst recht, wenn es um eine gute Sache geht. Schließlich gibt es viele Bürger, denen Klima, Umwelt oder faire Arbeitsbedingungen Anliegen sind. Dann macht es doch Sinn, deren Erspartes in jene Wirtschaftsbereiche zu dirigieren, mit denen solche Vorgaben eingehalten werden. Als Verkaufsargument für solche nachhaltigen Anlagen würde sich eine Steuerbefreiung gut eignen, befindet der Bankenverband.

Daher spricht sich dessen Präsident, Bank-Austria-Chef Robert Zadrazil, für eine Befreiung von der Kapitalertragssteuer (KESt) für Investments in ökologische und ethische Anlageformen aus – wie es auch im türkis-grünen Regierungsprogramm vorgesehen ist. Im Finanzministerium wird an der Umsetzung gearbeitet, heißt es auf Anfrage. Es liege aber kein konkreter Zeitplan vor.

Derzeit beträgt in Österreich die KESt auf Einlagenzinsen wie bei Sparbüchern 25 Prozent, für Erträge von Wertpapieren wie Aktien oder Anleihen 27,5 Prozent. Fällt diese weg, wäre dies ein Wettbewerbsvorteil nachhaltiger Anlagen gegenüber herkömmlichen Investments. Allerdings weniger bei Sparbüchern, die es ebenfalls bereits in nachhaltigen Versionen gibt: Denn wo de facto keine Zinsen gezahlt werden, fällt ohnedies kaum KESt an. Sehr wohl aber bei Wertpapieren, die durchaus ansehnliche Renditen einspielen können. Hier würde sich der Steuervorteil im Lauf der Jahre enorm stark bemerkbar machen.

Hohe Wachstumsraten

Angesichts dieser Aussichten äußert Nachhaltigkeitspionier Wolfgang Pinner gemischte Gefühle. Er unterstützt zwar grundsätzlich eine Steuerbefreiung, gibt aber zu bedenken: "Ich glaube, dass es auch ohne Förderung genügend Gründe gibt, in diesen Bereich zu investieren", sagt der Vorstand des Forums für nachhaltige Geldanlagen, der auch bei der Raiffeisen-Fondstochter RCM den Bereich Nachhaltigkeit leitet – und verweist auf starke Wachstumsraten ohne Förderung in den vergangenen Jahren.

"Wenn man die KESt-Befreiung konkret umsetzen will, taucht eine Vielzahl an Fragen auf", ergänzt Pinner. Etwa, wer darüber entscheidet, welche Produkte die Förderung erhalten. Oder auch, auf wie viel KESt-Einnahmen die Regierung verzichten will. Setzt sie die für Anbieter zu erfüllenden Nachhaltigkeitskriterien tief an, verzichte sie auf viel Geld und vice versa. "Es wäre schöner, wenn die Leute aus Überzeugung handeln würden", sagt Pinner.

Was seit vergangenem Jahr sowohl bei Privaten als auch institutionellen Investoren durchaus der Fall war, berichtet der Nachhaltigkeitsexperte, die Nachfrage sei stark angestiegen. "Die Wertentwicklung und Performance war ja auch entsprechend gut", ergänzt Pinner. Während der Corona-Krise wurde zwar allen anderen von der Technologiebranche an der Börse die Show gestohlen, aber auch grüne und ethische Veranlagungen hätten sich besser entwickelt als herkömmliche.

Bogen um größten Verlierer

Warum das so ist, erklärt der Experte einerseits damit, dass die größten Verlierer nicht in nachhaltigen Anlageprodukten enthalten sein sollten. Branchen wie Öl und Gas, Fluglinien, Kreuzfahrten oder Automobil, in denen die Corona-Krise besonders starke Bremsspuren hinterlassen hat, sind bei nachhaltig agierenden Investoren wegen ihrer Treibhausgasemissionen ohnedies nicht gut angesehen.

Dazu kommt, dass nachhaltige Veranlagungen grundsätzlich eher defensiv und langfristig ausgelegt seien, erklärt Pinner. Soll heißen, man achte auf ein "auf lange Sicht gutes Geschäftsmodell, das auch Krisen überdauern kann".

Dass Nachhaltigkeit ihren Weg aus der Nische in die breite Bevölkerung gefunden hat, zeigt auch eine Studie der Beratungsfirma Zeb. Demnach hat sich die Gruppe nachhaltigkeitsaffiner Bankkunden seit 2014 fast vervierfacht. Knapp zwei Drittel sehen Nachhaltigkeit als grundsätzlich relevant an, neun Prozent sogar als hoch relevant für Finanzentscheidungen. Diese für Deutschland erhobenen Zahlen lassen sich laut Zeb auf den gesamten deutschsprachigen Raum übertragen. (Alexander Hahn, 11.7.2020)