Unter Spionagevorwürfen verhaftet: der russische Journalist Iwan Safronow.

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Öffentlichkeitswirksam klickten die Handschellen. Der Inlandsgeheimdienst FSB hat am Dienstag Iwan Safronow wegen Hochverrats festgenommen. Safronow arbeitete zuletzt als Berater von Dmitri Rogosin, dem Chef der Raumfahrtagentur Roskosmos. Allerdings gerade erst zwei Monate. Laut der staatlichen Behörde hatte er in der Zeit keinen Zugang zu Staatsgeheimnissen.

Davor war der 30-Jährige 13 Jahre lange Korrespondent bei den eher liberalen Wirtschaftszeitungen "Kommersant" und "Wedomosti". Dort hatte er über Rüstungs- und Militärthemen berichtet. Regelmäßig hatten seine gut recherchierten Reportagen Aufsehen erregt.

Export russischer Kampfflugzeuge nach Ägypten

Als er über den geplanten Export von russischen Kampfflugzeugen an Ägypten berichtete, reagierte das Pentagon und drohte Kairo mit Sanktionen. Der Deal platzte daraufhin, der FSB forderte die Löschung des Materials, und Safronow musste zum Rapport antreten, woher er die Information habe.

Nun wirft ihm der russische Inlandsgeheimdienst die Weitergabe vertraulicher Informationen an den tschechischen Geheimdienst vor. Er soll Angaben zur militärtechnischen Kooperation Russlands im Nahen Osten und Afrika, zu Verteidigungsfragen und Sicherheit weitergegeben haben. Angeblich sei er vom tschechischen Geheimdienst schon 2012 angeworben worden, 2017 sei er dann mit dieser Aufgabe betraut worden, die Informationen habe er übers Internet weitergegeben. Safronow bestreitet die Vorwürfe.

Widerstand von Journalisten und Medien

Bei einigen russischen Journalisten und Medien regt sich Widerstand: Die beiden Verlage, für die er tätig war, haben ihn verteidigt und den Vorwurf für unglaubwürdig erklärt. Andere Medien schlossen sich der Solidaritätserklärung an. Journalisten seien keine Geheimnisträger und könnten daher auch keine Verräter sein. Ihre Aufgabe sei vielmehr, Informationen zu gewinnen und zu veröffentlichen, erklärte die Bürgerrechtlerin Olga Romanowa dazu.

Das kremlkritische Onlinemedium "Mediazona" veröffentlichte eine Statistik über die Zunahme der Spionageverfahren in Russland. Demnach hat sich die Anzahl solcher Verurteilungen in den vergangenen zehn Jahren versechsfacht. Speziell nach der Annexion ist in Russlands Geheimdiensten eine regelrechte Spionomanie ausgebrochen.

Prozesse gegen Wissenschafter

Wurden 2009 wegen Hochverrats und der Weitergabe von Staatsgeheimnissen zehn Personen verurteilt, wurden 2019 wegen Spionagedelikten schon 62 Personen abgeurteilt.

Mit langjährigen Haftstrafen endeten skandalöse Prozesse gegen russische Wissenschafter, wobei viele von ihnen nicht einmal Zugang zu Geheiminformationen hatten und nur bei Vorträgen im Ausland aus offenen Quellen zitierten. Und die Verhaftungswelle ist nicht vorbei. Zuletzt wurde deswegen der bekannte Arktisforscher Waleri Mitjko in Untersuchungshaft genommen.

Terrorvorwürfe als Vehikel

Aber auch Journalisten kommen mehr und mehr in Bedrängnis. Neben Spionagevorwürfen dient auch der Terrorvorwurf als Vehikel für eine Verurteilung. Zuletzt traf es die Pskower Journalistin Swetlana Prokopjewa, die den Selbstmordanschlag eines 17-jährigen Anarchisten im Foyer eines Geheimdienstgebäudes analysiert hatte und dabei auch soziale und politische Gründe als Ursache angeführt hatte. Daraufhin strengte der FSB ein Verfahren wegen "Rechtfertigung des Terrorismus" gegen Prokopjewa an.

Die Staatsanwaltschaft forderte sechs Jahre Haft. Der Prozess endete – wie praktisch alle Verfahren mit solch einer Formulierung – mit einem Schuldspruch, doch wegen der massiven Proteste der Kollegen Prokopjews verurteilte das Gericht die Journalistin "nur" zu einer Geldstrafe von 500.000 Rubel (gut 6.000 Euro).

Plumpe Fälschung zur Belastung

Vor einem Jahr fiel der Prozess gegen den Enthüllungsjournalisten Iwan Golunow glücklicherweise noch vor Verfahrensbeginn in sich zusammen. Der öffentliche Druck zwang die Ermittler damals die plumpe Fälschung von Beweisen einzuräumen, die Golunow als Dorgendealer belasten sollten.

Im Fall Safronows ist ein Rückzug der Behörden aber kaum zu erwarten. Da der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, können die Medien die Güte der Beweise gar nicht einschätzen. Safronow droht eine Haftstrafe zwischen zwölf und 20 Jahren.

Ungeklärter Tod

Bereits Safronows Vater hatte als Militärkorrespondent beim "Kommersant" gearbeitet. Nach seiner Rückkehr von einer Luftfahrtausstellung hatte er 2007 seinen Kollegen über einen möglichen russischen Rüstungsdeal im Nahen Osten erzählt, die Nachricht aber noch nicht veröffentlicht – auch aus Bedenken um die nationale Sicherheit. Kurz darauf stürzte Safronow aus dem Fenster – die Hintergründe seines Todes, der als Selbstmord eingestuft wurde (was Angehörige und Freunde bezweifeln), wurden nie restlos aufgeklärt. (André Ballin, 9.7.2020)