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"Motzen ist zu wenig": Johann Oberauer, Herausgeber und Eigentümer der Branchenzeitschrift "Der österreichische Journalist", reagierte auf Twitter schroff auf Kritik am rein männlichen Magazintitel. Alexandra Wachter (Puls 4, Frauennetzwerk Medien) hat kritisiert, dass der Titel Journalistinnen nicht einschließe.

"Nur mitgemeint"

  • Update/Korrektur: Wachter fragte Oberauer, warum das Branchenmagazin für Journalisten und Journalistinnen in Deutschland "medium magazin" heißt und hierzulande "Österreichischer Journalist". Wachter dazu: "Ich bin – wie viele andere Journalist*innen – seit Jahren für einen neuen Namen und zwar für 'Österreichischer Journalismus'. Es geht also ganz grundsätzlich darum, dass das Magazin für unsere Branche nicht mehr 'Der Österreichische Journalist' heißen sollten – Journalistinnen nur mitgemeint, sondern entweder 'Der Österreichische Journalismus' oder 'medium magazin'."

"100 Abos, und ich ändere den Titel"

"Tut mehr", setzte Oberauer seine Reaktion fort. "Bestellt ein Abo! 100 bis Ende Juli, und ich ändere den Titel. Sehr gerne sogar." Das sorgte für einiges Erstaunen auf Twitter: Bietet der Herausgeber tatsächlich an, den Titel gegen Geld zu ändern? Wachter errechnete den Gegenwert von 7.800 Euro für die 100 Abos.

"Gewollte Provokation"

DER STANDARD fragte Oberauer, wie ernst er das gemeint hat – 7.800 Euro, und er tauft sein Magazin um? Der Salzburger Branchenmedienmulti: "Meinen Tweet 'nicht motzen, sondern kaufen' kann man natürlich missverstehen, und dieser Tweet ist auch eine gewollte Provokation. Leute, die nicht kaufen, aber überall mitreden wollen, sind mir zu wenig. Ich erweitere meine Einladung: Kaufen, auch mitarbeiten, also irgendeine Form von Verantwortung übernehmen, aber nicht flapsig vom Rand reinplappern. Dass es mehr braucht, hat schon die 'Journalistin' in Österreich und in der Schweiz gezeigt."

  • Update: Reaktion von Alexandra Wachter "Niemand 'plappert flapsig vom Rand rein' – allein dieses Wording zeigt, wie wenig sachlich hier mit Kritik umgegangen wird. Meine Kritik, die inzwischen von vielen Journalistinnen und Journalisten auf Twitter geteilt wird – darunter Daniela Kraus, Corinna Milborn, Rainer Nowak, Hanna Herbst, Ingrid Brodnig, Olivera Stajic, Diana Weidlinger, Fabian Sommavilla, Josef Redl, Tanja Malle, Martina Madner, Ursula Wahl, Eva Lindner und Astrid Wibmer, bezieht sich einzig und allein auf den Titel des Magazins. Der Titel lautet "Der Österreichische Journalist" und somit wird nur der Journalist angesprochen und nicht die Journalistin. Sprache schafft aber Realität. Gerade für uns, die wir im Journalismus arbeiten, ist sprachliche Sorgfalt und Ausgewogenheit ein ganz entscheidendes Kriterium. Das, was wir leben, ist das, was wir publizieren."

Österreichische "Journalistin" gab es schon

Den Titel gab es schon, bestätigt Oberauer: Ja, wir haben auch die 'Journalistin' in unserem Verlagsprogramm. Früher sogar als eigener Titel in Österreich und in der Schweiz, abwechselnd zum 'österreichischen Journalist' und 'Schweizer Journalist'." Aber: "In Österreich und in der Schweiz eingestellt, weil wir nicht ausreichend Abos und Anzeigen verkaufen konnten, die wir zur Finanzierung gebraucht hätten. Jetzt noch immer in Deutschland. Ein Klick auf unseren Shop hätte gereicht, um die 'Journalistin' zu sehen und unser jahrelanges Engagement in diese Richtung. Aber das wäre dann auch keine Story mehr gewesen. Oder eine ganz andere. Jedenfalls nicht für die Gender-Polizei", erklärt Oberauer.

  • Update: Reaktion von Alexandra Wachter "Es ging nie um ein eigenes Magazin, das den Namen 'Journalistin' trägt, sondern immer darum, dass die ganze Branche angesprochen wird und dementsprechend lautet der Titel-Vorschlag ja 'Der Österreichische Journalismus'. Ich hatte mit Herrn Oberauer auch eine umfassende Mail-Konversation dazu und er weiß das. Offenbar möchte er es gerne falsch verstehen, um die Debatte in eine andere Richtung zu führen."

Er beschreibt die "interessante" Argumentation "einzelner Akteurinnen und Akteure" zum Thema so: "'Das Heft ist eh gut, aber der Titel spricht eben nur Männer an, und damit kann man es nicht lesen.' Meine Antwort, dass bei durchschnittlich 100 unbeanstandeten Seiten nicht drei einzelne Wörter am Titel entscheidend sein können, scheint bedeutungslos."

  • Update: Reaktion von Alexandra Wachter "Meine Kritik hat sich nie auf den Inhalt des Magazins bezogen, sondern auf den Namen. Mir geht es darum, eine mögliche Entscheidungsgrundlage zu schaffen und aufzuzeigen, dass zahlreiche Journalistinnen und Journalisten für einen neuen Magazin-Namen wären, der tatsächlich die ganze Branche anspricht und eben nicht nur einen Teil."

"Lasst uns auf die wirklichen Themen schauen"

Oberauers Gegenfrage: "Wie ist das übrigens bei euch? DER STANDARD? Geht das überhaupt?" dieStandard gibt es – wenn man schon nicht personenbezogene Hauptwörter gendern will.

Der Branchenverleger appelliert: "Lasst uns auf die wirklichen Themen schauen. Wir haben in allen Medienhäusern und damit im Journalismus eine extrem anspruchsvolle Situation. Zum einen haben Journalistinnen und Journalisten mit Corona eine ungeahnte neue Bedeutung erhalten. In unserer von Social Media getriebenen Reg-mich-auf-Gesellschaft habe ich das eigentlich nicht mehr erwartet. Zugleich wissen viele Medien nicht, wie sie nach dem massenhaften Verlust der Anzeigen die Gehälter und Rechnungen bezahlen sollen. Bedeutungsgewinn mit noch mehr Aufgaben, wirtschaftlicher Verlust mit noch weniger Geld. Stellen wir uns diesem Thema. Und erfüllen wir vor allem unsere Aufgabe für diese Gesellschaft. Anstatt uns mit uns selbst zu beschäftigen. Wegen drei Wörtern!"

  • Update: Reaktion von Alexandra Wachter Eine gemeinsame Initiative aus Österreich, Deutschland und der Schweiz, bei der ich federführend als stellvertretende Vorsitzende des Frauennetzwerks Medien dabei bin, hat Ende Juni einen Forderungskatalog erstellt, um auf die Arbeitsbedingungen und die fehlende Gleichberechtigung im Journalismus aufmerksam zu machen. Wir können also gerne auch eine inhaltliche Debatte führen, aber das ist eben ein anderes Thema und offenbar will Herr Oberauer da nicht differenzieren. Weiterführende Informationen zu der Initiative gibt es hier (Link).

"Werden den Titel sowieso ändern"

Oberauer kündigt auf STANDARD-Anfrage an: "Wir werden den Titel sowieso ändern. Und zwar beim nächsten Relaunch, der ursprünglich im Frühjahr geplant war und nun Corona-bedingt in den Herbst geschoben wurde. Mit 100 neuen Abos. Und auch ohne 100 neue Abos. Das komplette Design liegt vor, und wir freuen uns auf einen spannenden neuen Auftritt, den einer der weltbesten Designer für uns umgesetzt hat. Javier Errera, ein Spanier."

  • Update: Reaktion von Alexandra Wachter "Das klingt nach einem sehr guten Plan, denn genau das habe ich gefordert. Ich hoffe, dass ich nach dem Relaunch das Branchenmagazin 'Der Österreichische Journalismus' in den Händen halten werde. Den Dank für meine Entscheidungsgrundlage nehme ich dann gerne bei der nächsten Preisverleihung des Magazins entgegen."

Die Redaktion des "Journalist" zeichnet jährlich die – zusammen mit einer Branchenjury – "Journalisten des Jahres" aus.

Wie "Der österreichische Journalist" dann heißen wird, will Oberauer auch auf Nachfrage vorerst nicht verraten. Journalist*in oder Journalist_in könnte schwierig werden: Oberauer führt gerade zwei Verfahren in Köln und Salzburg um den Titel "Journalistin", wie er ihn im deutschen "Medium Magazin" verwendet.

Das Magazin des deutschen Journalistenverbands DJV erscheint seit Frühjahr nicht nur als "Journalist", die Hälfte der Auflage trägt den Titel "Journalistin". Oberauer schilderte den Namensstreit im Juni ausführlicher in einer Aussendung. Noch etwa zwei Wochen gibt es eine Frist für einen Vergleich vor dem Kölner Gericht, sagte er am Mittwoch dem STANDARD.

Beim "österreichischen Journalist" werde es bald eine Lösung geben, erklärt Oberauer: "Das Gender-Thema wird gelöst. Noch in diesem Jahr. Versprochen." (fid, 9.7.2020)