Und jetzt: Ruhe bewahren!

Foto: APA / AFP / Kazuhiro Nogi

Tokio – "Bitte schreien Sie nur in Ihrem Herzen!": Die Botschaft, die japanischen Besucherinnen und Besuchern von Vergnügungsparks derzeit entgegengebracht wird, dürfte nur die größten Stoikerinnen und Stoiker unter den Achterbahn-Fans erfreuen. Die japanische Regierung hat mit einer Anweisung, in der die Wiedereröffnung von Theme Parks im Mai erlaubt wurde, eine Empfehlung hinterlassen, die nun von zahlreichen Unternehmen strikt umgesetzt wird. Weil beim lauten Rufen besonders viele Aerosole aus der Kehle freigesetzt werden, mit denen Sars-CoV-2 übertragen werden kann, solle dieses vermieden werden.

Wie das aussehen kann, ist unter anderem in einem Video zu sehen, das der Park Fuji-Q-Highland laut einem Bericht des "Wall Street Journal" jüngst veröffentlicht hat. Zu sehen sind darin zwei japanische Herren in Anzügen, die mit Maske auf einer Achterbahn sitzen und die Fahrt in stoischer Ruhe über sich ergehen lassen. Es endet mit der Empfehlung, die Fahrt im Herzen zu genießen.

Fuji-Q Highland Official富士急ハイランド公式

Die Regeln sind – so wie fast alle Vorgaben in Japan – nicht durch die Kraft der Gesetze festgelegt. Wer doch schreit, den erwartet also keine Strafe. Das Land reguliert das persönliche Verhalten von Menschen nach den Erfahrungen mit Diktatur und Autoritarismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nur sehr spärlich. Auch sind derartigen Vorhaben enge verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt. Allerdings gelten gesellschaftliche Restriktionen, die in vielen Fällen mindestens ebenso hart wirken wie Gesetze dies tun würden.

Drei simple Regeln

Japan hat damit die Corona-Pandemie bisher relativ gut bewältigt. Einem ersten Aufflammen im März folgte eine kurze Ruhe, im April gab es einen weiteren Lockdown in einigen Regionen, darunter der Hauptstadt Tokio. Nun wurde eine weitere Welle gemeldet, auch sie scheint sich aber noch nicht massiv aufzutürmen – auch, wenn es für eine seriöse Abschätzung noch zu früh ist und Tokio am Donnerstag einen neuen Höchstwert an Infektionen binnen 24 Stunden verzeichnete.

Zur erfolgreichen Strategie Japans zählt die Identifizierung von Infektionsclustern und die freiwillige Quarantäne von Kontaktpersonen. Auch Masken trägt fast jeder und jede. Außerdem hat man früh Grundregeln festgelegt, auf die Teile des Erfolgs zurückgeführt werden. Vermeiden sollten die Menschen demnach Situationen, in denen drei Kriterien gemeinsam erfüllt sind: Geschlossene und unbelüftete Räume, in denen viele Menschen sind und sprechen. Ein Beispiel: Weil etwa in Zügen in Japan zwar wenig Belüftung herrscht und viele Menschen fahren, diese dort aber kaum sprechen, können sie weiterhin verkehren.

Wer Abstand hält, kann gewinnen

Zurück zu den Vergnügungsparks. Auch in Europa hat sich die Branche nämlich wegen Corona umstellen müssen. Viele Parks haben zwar mittlerweile wieder geöffnet, und auch Kreischen bleibt erlaubt. Dafür gelten aber andere Regeln. Vielerorts etwa wurden Schlagen umgeordnet, um Anstellen mit Minderabstand zu erlauben, Haltegriffe werden nach jeder Fahrt gereinigt.

Der deutsche Marktführer Europapark, der derzeit nur eine begrenzte Zahl von Besucherinnen und Besuchern pro Tag einlässt, hat außerdem eine App bauen lassen: Sie gamifiziert das Verhalten von Besucherinnen und Besuchern. Wer sich von seinem Handy nämlich die besonders gute Einhaltung der Abstandsregeln beglaubigen lässt, der erhält etwa Zugang zu Gewinnspielen. (mesc, 8.7.2020)