Der Ibiza-Untersuchungsausschuss geht nach zwei Sitzungstagen kommende Woche in die Sommerpause. Bereits jetzt hatte er einiges an Turbulenzen aufzubieten: von der versuchten Einschränkung des Untersuchungsgegenstands durch Türkis und Grün (der der Verfassungsgerichtshof eine Abfuhr erteilte) über den offen ausgetragenen Konflikt zwischen Soko Tape und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die zahlreichen Erinnerungslücken von Bundeskanzler und Finanzminister bis zum Rücktritt der Verfahrensrichterin.

Wie jeder U-Ausschuss der jüngeren Vergangenheit wird auch der Ibiza-Untersuchungsausschuss von Kritik begleitet, es gehe dabei statt seriöser Aufarbeitung vorranging um Show, Inszenierung und mediales Spektakel, das bestimmten Oppositionspolitikern eine Bühne zur Selbstdarstellung liefere. Solche Stimmen werden aus den Reihen der Politik laut (hier und hier zum Beispiel), aber auch auf den Meinungsseiten wird bisweilen so argumentiert (etwa hier und hier).

Der Blick ins Publikum: Das sehen die Abgeordneten von ihrer Bühne aus.
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Nun ist diese Kritik nicht immer völlig unzutreffend, sie verkennt aber, dass U-Ausschüsse als eines der stärksten Kontrollinstrumente des Parlaments nicht nur die Aufklärung von Fehlverhalten in der Vergangenheit zur Aufgabe haben. Idealerweise ist die Aussicht auf stundenlanges Rede-und-Antwort-Stehen unter Wahrheitspflicht – und die damit verbundene (negative) mediale Berichterstattung – sämtlichen Amtsträgern Anreiz, gar nicht erst fragwürdige Handlungen zu setzen.

U-Ausschüsse nehmen eben keine strafrechtlichen Bewertungen vor, sondern klären bestenfalls die politische Verantwortung für das untersuchte Handeln. Politische Verantwortung lässt sich aber nicht per Gerichtsurteil oder Mehrheitsbeschluss festlegen, sie ist naturgemäß umstritten. Ihre Zuschreibung ist somit Gegenstand der öffentlichen Debatte und damit dem politischen und medialen Wettbewerb zwischen Parteien und Politikern unterworfen. Die kommunikativen Instrumente, die in diesem Wettbewerb zum Einsatz kommen, mögen manchen als "Show" sauer aufstoßen. Diese "Show" ist aber Teil der medial vermittelten Zuschreibung politischer Verantwortung – und somit untrennbar mit dem originären Zweck eines U-Ausschusses verbunden.

Auch die Geschichte der U-Ausschüsse seit 1945 verdeutlicht, dass diese oft Gegenstand oder gar Resultat parteipolitischer Konfliktlinien waren. Die Grafik unten zeigt die Anzahl der U-Ausschüsse im Nationalrat pro Gesetzgebungsperiode.

Die dunkel eingefärbten Balken stellen Gesetzgebungsperioden (GPs) dar, in denen ein Wechsel in der Parteienzusammensetzung der Bundesregierung erfolgt ist – also ein zumindest partieller Machtwechsel. In solchen Perioden wurden im Schnitt 1,8 (Median: 2) Untersuchungsausschüsse eingesetzt, in jenen ohne Wechsel der Regierungsfarben nur 0,9 (Median: 0). Alle bis auf eine Periode mit Farbwechsel (nämlich jene zwischen 1983 und 1986) haben zumindest einen U-Ausschuss hervorgebracht, während es bei den Perioden mit gleicher Regierungskonstellation wie in der Vorperiode gerade einmal jede zweite war.

Untersuchungsausschüsse gibt es also (vor allem in der Zeit, bevor sie zum Minderheitsrecht wurden) häufiger, wenn die Regierungskonstellation wechselt. Beispielsweise beantragten im Jahr 2000 ÖVP und FPÖ den Euroteam-Untersuchungsausschuss, der Vergaben an einen SPÖ-nahen Verein ins Visier nahm. Im Jahr 2006 setzten SPÖ, Grüne und FPÖ U-Ausschüsse zur Eurofighter-Beschaffung und zu diversen Finanzdienstleistern ein – worauf die ÖVP aus den gleichzeitig laufenden Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ vorübergehend ausstieg.

Untersuchungsausschüsse sind also nicht nur Arena, sondern auch Produkt des politischen Wettbewerbs – theatralische Elemente inklusive. Die "Show" ist Teil der Kontrolle. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 9.7.2020)