Die Gesetzesentwürfe sollen noch im Sommer vorgestellt werden.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Hasserfüllte Beiträge sind mittlerweile geradezu Teil der DNA von sozialen Netzwerken: Kaum jemand, der sie verwendet, bleibt verschont, Beiträge zu sehen, die eigentlich gesetzeswidrig sind. Für Betroffene ist das oft eine Qual. Die Regierung will nun mit einem Maßnahmenpaket dagegen vorgehen, wie Justizministerin Alma Zadić (Grüne), Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) und Grünen-Klubobfrau Sigi Maurer in einer gemeinsamen Pressekonferenz ankündigten.

Plattformen in die Pflicht nehmen

Zentral ist die künftige Verantwortung von Plattformen: "Möglichst innerhalb weniger Stunden" sollen soziale Netzwerke dazu verpflichtet werden, Hasspostings aus dem Netz zu nehmen, sagt Edtstadler. Oft sei das größte Problem, dass hasserfüllte Äußerungen zu lange stehen bleiben. Neben der Löschverpflichtung sind ein verpflichtendes Beschwerdeverfahren und ein Zustellungsbevollmächtigter in Österreich vorgesehen. Es brauche leichte und ständige Melde optionen und klare Verantwort liche, die erreichbar sind, sagt die Ministerin. Noch im Juli soll ein entsprechender Gesetzesentwurf vorgestellt werden. Auf EU-Ebene ist mit dem Digital Services Act eine solche Plattformverantwortung bereits in Arbeit. Das sei der Regierung klar, jedoch dauere es zu lange, bis diese Vorgaben europaweit umgesetzt sind.

ORF

Mit diesem Teilaspekt nimmt sich die Regierung ein Beispiel an Deutschland und dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Dort müssen Internetplattformen Hasspostings und andere "offensichtlich" rechtswidrige Inhalte binnen 24 Stunden nach einer Meldung löschen. Plattformen drohen Strafen von bis zu fünf Millionen Euro, wenn sie sich nicht daran halten. Nutzer können sich, sofern eine Plattform nicht reagiert, bei Behörden beschweren.

Klarnamenpflicht?

Zunächst herrschte bei der Ankündigung Verwirrung, ob auch eine Klarnamenpflicht vorgesehen ist – so gab Edtstadler an, die Identität von Nutzern wohl erfahren zu wollen. Zwar betonte sie, dass viele Hassposter ihre Beiträge unter Klarnamen verbreiten. Wolle man aber auch jene Fälle nachverfolgen, in denen sie diesen nicht angeben, müsse klar sein, wer dahintersteckt. Wenn jemand Beschimpfungen absetze, "sollte er gezwungen sein anzugeben, wer er ist", sagte die Ministerin.

Edtstadlers Sprecher gibt auf Nachfrage des STANDARD an, dass Klarnamen im Maßnahmenpaket kein Thema seien. Gemeint sei die Nachverfolgung bei Plattformen, die bereits jetzt möglich ist, das habe Edtstadler jedoch missverständlich formuliert. Auch aus dem Justizministerium heißt es auf Anfrage des STANDARD, dass keine Klarnamenpflicht vorgesehen sei.

Strafrecht

Auch in der Justiz soll es Änderungen geben, kündigt Zadić an. Sie will den Verhetzungstat bestand verschärfen, damit auch die Hetze gegen Einzelpersonen und nicht nur gegen Bevölkerungsgruppen verfolgt werden kann. Weiters soll Cybermobbing auch dann strafbar werden, wenn beleidigendes Bildmaterial nur einmal hochgeladen wird.

Wer gegen eine Beleidigung im Netz vorgehen möchte, müsse den Täter außerdem künftig nicht mehr selbst ausforschen. Ab einer "bestimmten", nicht weiter de finierten Schwelle soll es eine Ermittlungspflicht geben, die bei Gerichten beantragt werden kann. Dadurch sollen die Kosten für Betroffene gesenkt werden. Weiters sollen auf der Homepage des Ministeriums Formulare für Unterlassungs- und Löschungs ansuchen zur Verfügung gestellt werden – und diese so erleichtern. Im Bereich des Zivilrechts werde evaluiert, ob die Verjährungsfristen verlängert werden sollen.

Die Arbeit der Gerichte selbst sei ebenfalls eine Herausforderung, sagt die Justizministerin. "Deswegen wollen wir bestimmte Kompetenzzentren bei der Staatsanwaltschaft einführen", unterstreicht Zadić. Das Justizministerium plane, noch im Sommer einen Entwurf vorzulegen.

"Upskirting" verboten

Nicht im Regierungsprogramm behandelt, aber geplant ist ein Verbot für sogenanntes Up skirting, das unter Strafe gestellt werden soll. Dabei geht es um heimliche Bildaufnahmen von Oberkörperausschnitten oder unter dem Rock. In Deutschland gibt es bereits ein Verbot. Wie Ministerin Raab ankündigt, ist hierzulande auch eines vorgesehen. Rechtliche Details würden noch ausgearbeitet werden, so ist unklar, ob die Aufnahme der Bilder selbst oder deren Veröffent lichung künftig strafbar sein soll.

Reaktionen

Die Grundrechts-NGO Epicenter Works befürchtet den "Teufel im Detail", denn genaue Angaben fehlen bei den aktuellen Ankündigungen. "Die Maßnahmen haben alle viel positives Potenzial, könnten aber auch enorm gefährlich für die Meinungsfreiheit werden", sagt Pressesprecherin Iwona Laub. Der Rechtsinformatiker Nikolaus Forgó kritisiert, dass die Regierung nicht auf eine entsprechende EU-Regelung wartet: "Warum genau will man hier vorpreschen und riskieren, dass in wenigen Monaten erst recht wieder alles obsolet ist?" Maximilian Schubert, Generalsekretär des Verbands ISPA, zu deren Mitgliedern Google und Facebook gehören, warnt vor der Gefahr des Overblockings: Aus Angst vor Strafen könnten Plattformen strenger agieren als notwendig und auch legale Inhalte blockieren.

Die Antidiskriminierungsstelle ZARA erklärt auf Anfrage, dass zahlreiche ihrer Forderungen miteinbezogen wurden, jedoch würden erst die konkreten Gesetzesvorlagen zeigen, ob der Betroffenenschutz ausreichend gewährleistet ist. (Muzayen Al-Youssef, 9.7.2020)