Mitte März das plötzliche Aus: Bildungsaktivitäten dürfen nicht mehr vor Ort stattfinden. Basisbildungskurse wurden entweder völlig ausgesetzt oder sie sollten möglichst online stattfinden. Von heute auf morgen ging Basisbildung nur mehr virtuell. Der Bildungsminister erzählte von den vielen kreativen Möglichkeiten, die digitale Medien böten. Von der Erwachsenenbildung, oder gar von Basisbildung war dabei nie die Rede. Nur von der Fachabteilung im Ministerium kamen aufmunternde Worte, es zumindest zu versuchen.

Digitales Lernen

Basisbildnerinnen und Basisbildner nutzten eigene Handys und Geräte, um mit Teilnehmenden zu kommunizieren: Wer ist wie erreichbar? Wer kennt welche App, kann E-Mails schreiben, ausdrucken? Sich digitale Kompetenzen überhaupt erst anzueignen, ist Teil der Basisbildung, Learning by Doing ist weit schwerer, als es klingt. Dazu kommt: Nicht alle besitzen ein Smartphone, nicht alle haben Zugang zum Internet. Die Ausgangssperren verhindern, Orte mit gratis Wlan aufzusuchen. Viele Kursteilnehmenden teilen sich Geräte mit anderen Personen im Haushalt. Wenn die Kinder Online-Termine für die Schule haben, haben sie Vorrang. Vielen fehlt es an Raum und an Ruhe, ungestört lernen zu können: Kleine Wohnungen, Asylheime, finanzielle Probleme, psychische Krisen, Gewalt in der Familie - und nicht zuletzt bei einigen die Scham, Familienmitglieder könnten mitbekommen, was und wie sie gerade lernen. Andere wiederum genießen die Ruhe und Stille, den fehlenden Stress und „haben endlich Zeit“ zum Lernen.

Die Reise ins digitale Lernen beginnt unvermittelt und vielen Herausforderungen zum Trotz. Basisbildnerinnen und Basisbildner müssen Datenschutz und Privatsphäre hinten anstellen, um die Kursteilnehmenden in jenen Kanälen abzuholen, die diese kennen und nutzen. Bei vielen ist das WhatsApp. Andere Kommunikationswege und Apps zu installieren und zu nutzen, braucht einiges an digitaler Kompetenz. Dies ist das Ziel, nicht aber der Ausgangspunkt des digitalen Lernens zuhause.

Neue Umstände

Die Kursteilnehmenden sind in ihrem Wissen und Bedürfnissen sehr unterschiedlich. Basisbildnerinnen und Basisbildner recherchieren, tauschen sich aus, probieren und geben dabei oftmals viel mehr, als sie bezahlt bekommen. Sie verbringen Stunden am Telefon, um mit einzelnen Teilnehmenden abzuklären, in welcher Form gelernt werden kann. Manche wollen gemeinsame Lerngruppen in Messenger-Apps, um auch mit Kolleginnen und Kollegen in Kontakt zu bleiben. Für wieder andere wird das Lernen in diesen Gruppen so unorganisiert, dass sie angesichts der vielen Nachrichten den Überblick verlieren.

Aus Erfahrungen erwachsen neue Versuche. Einer davon ist, Lernmaterial auf einer Lernplattform bereitzustellen. Die Kursleitenden arbeiten sich in unterschiedliche Systeme ein, erstellen Erklärvideos und erläutern per Telefon den Weg in den digitalen Lernraum. Für manche Lernenden ist bereits das Einloggen mit einer E-Mail-Adresse eine unüberwindbare Hürde, andere sind sehr flink und finden mithilfe von Erklärvideos selbstständig Zugang.

Basisbildner lernen selbst erst, wie Video-Live-Formate auf diversen Geräten funktionieren.
Foto: Anna Stiftinger

Ein anderer Weg sind sind Live-Video-Formate. Der Schritt dahin ist groß. Die Teilnehmenden versuchen per Telefonanleitung, Erklärvideo oder der Hilfe ihrer Kinder eine entsprechende App auf dem Handy zu installieren. Das braucht oft viel Zeit, Energie und Kreativität, sei es wegen Sprachbarrieren, unterschiedlicher Geräte oder Betriebssystemen mit verschiedenen Begrifflichkeiten. Allen Herausforderungen zum Trotz gelingt es den meisten schließlich doch. Gehen am Anfang bei der Einwahl in das Live-Video-System bei manchen noch die Kinder zur Hand, tauchen diese im Lauf der Zeit immer weniger auf den Bildschirmen auf. Allein darin zeigt sich, wie sehr die digitalen Kompetenzen im Laufe der Zeit wächst.

Anhaltende Änderungen?

Mitte Mai. Die Freude ist groß. Der Basisbildungskurs findet nun wieder vor Ort statt. Endlich wieder in persönlichem Austausch stehen, gemeinsam lernen, im Kursraum sitzen. Für Basisbildnerinnen und Basisbildner sowie Teilnehmende ist klar: Neben all den sozialen Herausforderungen waren die vergangenen Monate vor allem eines: eine Achterbahnfahrt durchs digitale Lernen. Der Lockdown hat gezeigt, welch Vielfältigkeit in den Lernformen zum Einsatz kommen muss, um den Lernbedürfnissen und Lernmöglichkeiten der Lernenden entgegenkommen zu können. Und wie viel schließlich doch geht.

Durch die Erfahrungen der letzten Monate haben alle zusammen sehr viel gelernt. Seit Jahren hängt der Appell in der Luft, in der Basisbildung mehr digitales Lernen zu integrieren und die Teilnehmenden so bei der selbstständigen Arbeit und beim Lernen zu unterstützen. Damit dieser frische Wind ins “System” Basisbildung einziehen kann, braucht es vielerlei: Es braucht nicht nur die adäquate digitale Ausstattung, sondern es braucht vor allem auch Erwachsenenbildungseinrichtungen, die die dafür nötigen Ressourcen und finanziellen Mittel bei der öffentlichen Hand einfordern. (Lisa Oberbichler, Anna Stiftinger, 15.7.2020)

Lisa Oberbichler, VHS Wien und PROSA, und Anna Stiftinger, agenda, arbeiten als Basisbildnerinnen und in der Weiterbildung für Basisbildnerinnen und Basisbildner. Beide arbeiten im Projekt Campus Basisbildung mit.

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