Nicht nur in der Union sucht man einen Nachfolger für Angela Merkel, auch SPD-Mann Olaf Scholz ...
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Wer zu Beginn der großen Ferien in Deutschland nicht genug hat von Politik und im Internet nach "Olaf Scholz" sucht – dem spuckt es als ersten Kombinationsbegriff "Bazooka" entgegen. Und dann binnen 0,43 Sekunden "ungefähr 25.400 Ergebnisse". Im Weltnetzvergleich mag das ein eher dürftiger Wert sein. Und doch: Den Gesuchten muss er erfreuen. Denn es gab eine Zeit, da hätten die Suchmaschinisten "Scholzomat" angefügt und in der halben Zeit viermal so viele Fundstellen geliefert.

Aber das böse Coronavirus hat nicht nur die Welt verändert, sondern auch das Leben des als leidenschaftslos verschrienen deutschen Vizekanzlers. Noch zur Jahreswende war Olaf Scholz der Loser der Nation. Seine SPD hatte seine Bewerbung um den Parteivorsitz abgeschmettert und ihm und seiner Mitbewerberin zwei No-Names vorgezogen. Viele hatten die Demütigung kommen sehen. Scholz aber nicht.

Die meisten hielten ihn für erledigt. Er nicht. Man kann, wenn man will, in dieser hochindividuellen Selbstwahrnehmung eine Parallele zu Robert Habeck entdecken. Der ist, anders als Scholz, Parteichef; sogar ein sehr beliebter. Nicht nur für die Anhänger seiner Partei, der Grünen, ist Habeck eine Lichtgestalt. Selbst Fans von CDU und CSU singen ein Loblied auf ihn.

... und die Grünen Annalena Baerbock und Robert Habeck wollen das Terrain nicht der CDU/CSU überlassen.
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Ein Grüner im Berliner Kanzleramt? Bis vor einem Jahr war das schlicht unvorstellbar. Dann befanden die Deutschen in diversen Umfragen, doppelt so gern wie von Annegret Kramp-Karrenbauer würden sie sich von Habeck regieren lassen. 51 zu 24 Prozent lautete das Votum; und auch die damals gar nicht zur Debatte stehenden Christdemokraten Armin Laschet und Friedrich Merz verloren in der Konkurrenz zu Habeck. Der aber grummelte bloß über das "Kanzlergerede".

Dass die SPD in dieser Konkurrenz überhaupt nicht vorkam (sie hatte mit Andrea Nahles gerade die dritte Führungskraft binnen 27 Monaten verschlissen), pushte Habeck und die Grünen zusätzlich. Mit 27 Prozent waren sie erstmals seit ihrer Gründung 1980 in Umfragen stärkste politische Kraft. Vor der Union! Die SPD rangierte auf vier, mit katastrophalen zwölf Prozent. Und der politisch interessierte Teil der Republik befand, nun bräuchten die Grünen einen Kanzlerkandidaten.

Joschka Fischer, lange so etwas wie deren informeller Chef, hatte das Kanzleramt einst die "Todeszone der Politik" genannt. Nur die Besten und Stärksten überlebten dort. Allerdings war das zu einer Zeit, als allein Männer, die sich für Kerle hielten, hineinwollten: Gerhard Schröder. Oskar Lafontaine. Sogar Edmund Stoiber.

Nach 15 Jahren mit Angela Merkel als Kanzlerin hat sich die Machonummer erledigt. Aber die Luft ist trotzdem sehr dünn im Kanzleramt – und auch schon bloß in seiner Nähe. Habeck hat das ein paarmal die Konzentration gekostet; er hat Unfug erzählt – etwa, dass Thüringen "ein offenes, freies, liberales, demokratisches Land" erst werden müsse. Längst wird beim grünen Spitzenpersonal darüber geredet, dass ja auch Annalena Baerbock Vorsitzende ist, strategischer und machtsicherer als Habeck. Die hört das gern.

Null Chance?

Oder muss es "hörte" heißen? Corona hat den Grünen die Tour erst einmal ziemlich vermasselt. Im April sackten sie binnen vier Wochen von 24 auf 16 Prozent ab, inzwischen liegen sie wieder bei 19. Stabil vor der SPD, die es auf knapp 16 bringt. Fürs Kanzleramt reicht das nicht einmal zu zweit.

Eins, zwei, drei Kandidaten für die Kandidatur – aber null Chance auf Rot-Grün oder Grün-Rot? Vor knapp einem Jahr hat Habeck die Grünen "Quasiregierungspartei im Wartestand" genannt; das traut er sich jetzt nicht mehr. Der K-Frage weicht er stur aus. Aber das tut Baerbock ebenfalls. Und Scholz auch.

Hat er Konkurrenz? Falls ja, hält sie sich bestens getarnt. Nominell haben die zwei SPD-Vorsitzenden den ersten Zugriff. Aber inzwischen preist selbst die Parteilinke den Parteirechten Scholz. "Er macht seinen Job in diesen Tagen einfach verdammt gut", jubelt Vize- und Juso-Chef Kevin Kühnert – eigentlich ein Intimfeind von Scholz.

Der weiß, dass die SPD Weltmeisterin im Verpfuschen von Kanzlerkandidaturen ist. Seit 2009 hat sie noch jeden kleingekriegt: Martin Schulz, Peer Steinbrück, den jetzigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Dass Scholz fulminant Wahlen gewonnen hat in Hamburg, das heißt nichts für die Parteizentrale in Berlin. Und ob dort – wie gegen den Corona-Crash – Olaf "Bazooka" Scholz eine Chance hat, ist auch nicht fix. (Cornelie Barthelme aus Berlin, 10.7.2020)