Derzeit sind viele Antikörpertests noch unzuverlässig.

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Es gibt zwei Möglichkeiten für einen nachhaltigen Schutz der Bevölkerung gegen das Coronavirus: eine wirksame und sichere Schutzimpfung oder die natürliche Herdenimmunität. Für Letzteres müsste ein größerer Anteil der Bevölkerung zunächst eine Infektion mit Sars-CoV-2 oder eng verwandten Coronaviren überstanden und dabei einen natürlichen Immunschutz entwickelt haben.

Aktuell laufen verschiedene Studien, um festzustellen, wie viele Menschen bereits in Kontakt mit Sars-CoV-2 gekommen sind. In Gebieten, in denen das Virus sich sehr gut ausbreiten konnte, wie in New York zum Beispiel, haben fast 20 Prozent der Bevölkerung schon Antikörper gegen Sars-CoV-2. In Ischgl konnten bereits bei über 40 Prozent der Bevölkerung Antikörper nachgewiesen werden, im deutschen Heinsberg bei 15 Prozent und in Schweden, wo es gar keinen Lockdown gab, bei vier bis sieben Prozent. In Gebieten, in denen sich das Virus nicht so stark ausgebreitet hat, haben erste Analysen ergeben, dass dort die Seroprävalenz, also die Häufigkeit des Nachweises spezifischer Antikörper, bei ein bis zwei Prozent liegt. "Wobei man das auch mit Vorsicht genießen muss. Denn es kommt immer auf den Antikörpertest an, den man macht. Man muss sich ansehen, wie spezifisch und wie sensitiv sind die eigentlich?", sagt Stephan Becker, Direktor des Instituts für Virologie an der Philipps-Universität Marburg.

Infiziert, ohne Antikörper

Aktuell gehen Forschende davon aus, dass der Körper im Zuge einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus spezifische Antikörper ausbildet, die Infektionen eindämmen können. Jene Antikörper lassen sich in einer Blutprobe mithilfe von unterschiedlichen Antikörpertests nachweisen. Die meisten Menschen, die symptomatisch erkrankt sind, bilden relativ schnell Antikörper.

Derzeit gerät allerdings die Annahme ins Wanken, dass alle infizierten Personen nachhaltig Antikörper ausbilden und damit vor einer Neuinfektion geschützt wären. Denn in einer in "Nature" veröffentlichten Studie, bei der 37 asymptomatische und Patienten mit milden Verläufen auf ihre Antikörper untersucht wurden, haben Forscher festgestellt, dass bei 40 Prozent der Patienten die Antikörper nach acht Wochen nicht mehr nachzuweisen waren. "Es verdichten sich die Hinweise, dass es da unterschiedliche Ausprägungen gibt, je nach Symptomatik der Patienten", sagt Leif-Erik Sander, Leiter der Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung an der Charité – Universitätsmedizin Berlin.

Zelluläre Abwehr

Immer wieder sind in den vergangenen Wochen auch Berichte aufgetaucht, wonach Gesunde erneut an Covid-19 erkrankt seien. Becker dazu: "Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich eine Zweitinfektion war oder Exazerbationen (eine plötzliche deutliche Verschlechterung im Verlauf, Anm.) oder ein Wiederaufflammen derselben Infektion. Von den Tierexperimenten, die gemacht worden sind, sieht es ja eher so aus, als ob kurz nach der Infektion, also wenn die Infektion gerade abgeflaut ist, eine Reinfektion nicht mehr möglich ist." Wie die Sache sich ein oder zwei Monate nach der Erkrankung verhält, könne man jetzt noch nicht sagen, so Becker.

Doch auch Patienten, die scheinbar keine Antikörper bilden, können die Infektion bekämpfen. Hier ist möglicherweise eine andere Art der Immunreaktion involviert, und zwar die zelluläre Abwehr, an der die sogenannten T-Zellen beteiligt sind. "Es gibt Menschen, die eine Infektion durchgemacht haben und keine Antikörper zeigen, aber scheinbar eine T-Zell-Antwort", sagt Becker.

Welche Immunantwort letztlich einen schützenden Aspekt hat, der auch bei der Entwicklung einer Impfung eine Rolle spielen wird, ist noch nicht klar und "kann uns auch noch nicht klar sein", sagt Sander. Und weiter: "Angesichts dieser unglaublichen Menge an verschiedenen Impfstoffprojekten, die weltweit gemacht werden – ich glaube, wir sind jetzt bei über 200, die gezählt werden von der WHO –, bin ich ganz sicher, dass da irgendeiner dabei ist, der wirklich hilft und schützt." (bere, 12.7.2020)