Ein 50-jähriger Steirer wurde unter anderem für einen versuchten Mord an einem Polizisten zu 15 Jahren Haft verurteilt.

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Graz – 15 Jahre Haft für versuchten Mord an einem Polizisten, schwere Nötigung, schwere Sachbeschädigung und Widerstand gegen die Staatsgewalt hat das Urteil am Donnerstag für einen Steirer gelautet. Der 50-Jährige hatte im September 2019 in der Oststeiermark fast 30 Schüsse auf sechs Polizisten abgegeben. Angeklagt war daher sechsfacher Mordversuch, doch in fünf Fällen erfolgte ein Freispruch.

1,5 Promille

Der 50-Jährige leidet an einer bipolaren Störung und kämpft seit langem gegen seine Alkoholsucht. Am 19. September 2019 hatte er einen Rückfall. Er drohte, sich umzubringen und holte eine seiner Pistolen. Seine Lebensgefährtin bekam Angst und rief ihre Schwester an. Diese verständigte die Polizei und den Bruder des Mannes. Der Angeklagte schoss zunächst in Richtung seines Bruders, dann feuerte er aus seinem Haus in Gnas (Bezirk Südoststeiermark) auf die eintreffenden Streifenwagen.

Die Schüsse seien "gezielt gegen die Polizisten gerichtet gewesen, er wollte sie töten", betonte Staatsanwalt Hansjörg Bacher. Die Sondereinheit Cobra wurde beigezogen, und nach drei Stunden konnte der Beschuldigte zum Aufgeben überredet werden. Bei ihm wurde später eine Alkoholisierung von 1,5 Promille festgestellt. Er leugnete jede Tötungsabsicht.

Verteidigerin: "Waghalsige Anklage"

"Es handelt sich um eine etwas waghalsige Anklage", meinte Verteidigerin Astrid Wagner, denn die Kernvorwürfe würden sich "ausschließlich auf die subjektiven Angaben der Polizisten stützen". Außerdem fehle ein wirkliches Motiv. Sie führte an, dass ihr Mandant seit 20 Jahren Sportschütze sei – "er weiß, wie man zielt, wenn man treffen will". Dass keiner der rund 27 Schüsse "auch nur jemanden gestreift" habe, sei der Beweis dafür, dass der Steirer keinerlei Tötungsabsichten gehabt habe. "Er wollte nur provozieren, damit ihn die Polizei erschießt", erklärte die Anwältin.

Aussagen der Polizisten

"Wir waren gerade beim Aussteigen, da sind schon die ersten Schüsse gefallen", schilderte einer der Polizisten. Er ging nach eigenen Angaben so schnell wie möglich in Deckung. Der Angeklagte hockte am Balkon des Einfamilienhauses "und hatte direkten Blickkontakt", beschrieb es der Zeuge. "Können Sie sagen, wohin er gezielt hat?", fragte Richterin Julia Riffel. "Eindeutig in unsere Richtung", lautete die Antwort. Der Angeklagte hatte am ersten Verhandlungstag angegeben, er habe nur in die Luft geschossen. Dem widersprach der Zeuge: "Ich hatte nicht diesen Eindruck, ich habe mich massiv in Lebensgefahr gefühlt", betonte er.

Ein zweiter Polizist beschrieb, wie er sich nur mit einem Hechtsprung aus dem Auto in Sicherheit bringen konnte. Mehrere Beamte gaben an, dass der Vorfall lange nachgewirkt und unter anderem zu Schlafstörungen geführt habe. "Es ist mir erst nachher bewusst geworden, was wir für ein großes Glück gehabt haben", meinte einer der Zeugen. "Man denkt schon nach, wenn man sieht, wie schnell das Leben vorbei sein kann", bemerkte eine Polizistin vor Gericht.

Die Geschworenen befanden, dass es nur in einem Fall versuchter Mord war und verhängten mit 5:3 Stimmen einen Schuldspruch, in den anderen Fällen erfolgte ein Freispruch. Der 50-Jährige wurde wegen Mordversuchs, schwerer Nötigung, schwerer Sachbeschädigung und Widerstand gegen die Staatsgewalt zu 15 Jahren Haft verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. (APA, 9.7.2020)