Paschal Donohoe wird neuer Eurogruppen-Chef.

Foto: AFP/Photo by PAUL FAITH

Wien – Der irische Finanzminister Paschal Donohoe wird neuer Präsident der Eurogruppe. Die Finanzminister der Währungsunion wählten den 45-Jährigen, für den sich auch Österreich stark gemacht hatte, am Donnerstag zum Nachfolger des scheidenden Amtsinhabers Mário Centeno.

Donohoe setzte sich in zwei Wahlgängen gegen die von Deutschland und Frankreich unterstützte spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calviño und den Luxemburger Finanzminister Pierre Gramegna durch.

Amtsantritt am 13. Juli

In der Eurogruppe kommen monatlich die 19 Finanzminister der Währungsunion zusammen. Hauptaufgabe ist eine enge Koordinierung der Wirtschaftspolitik. In der Finanz- und Schuldenkrise wurde die Eurogruppe zum zentralen Gremium für die Ausarbeitung von Rettungsprogrammen für vom Staatsbankrott bedrohte Länder. Die Amtszeit des Eurogruppen-Chefs beträgt zweieinhalb Jahre. Donohoe tritt sein Amt am 13. Juli an.

Durch den Rückzug des Amtsinhabers Centeno benötigte der Club der Euroländer inmitten des schweren Wirtschaftseinbruchs wegen der Coronakrise einen neuen Chef. Der Portugiese hatte Anfang Juni mitgeteilt, dass er sich nicht für eine zweite Amtszeit bewerben wird. Er soll nun Präsident der portugiesischen Zentralbank werden.

Sieg im Stechen gegen Calviño

In Brüssel galt Calviño als Kandidatin der sozialistisch geführten Regierung in Madrid eigentlich zunächst als Favoritin. Sie wäre die erste Frau als Vorsitzende der Eurogruppe gewesen. Neben Deutschland und Frankreich unterstützte sie vor der Abstimmung dem Vernehmen auch Italien. Allerdings hat jedes Land der Währungsunion bei dem Votum nur eine Stimme. Nötig war eine einfache Mehrheit.

Nach dem ersten Wahlgang per Video-Konferenz zog sich der Luxemburger Gramegna zurück. Im Stechen setzte sich dann Donohoe durch. Das genau Ergebnis wurde nicht veröffentlicht.

Donohoe will "Brücken bauen"

Er fühle sich geehrt, die Eurogruppe führen zu dürfen, erklärte Donohoe. Seine "unmittelbare Priorität" sei es, "einen gemeinsamen Weg zu finden, um die europäische Erholung voranzubringen, die Wirtschaft der Eurozone zu stärken und ein nachhaltiges und integratives Wachstum für die Mitgliedstaaten und ihre Bürger zu fördern".

Er wolle dabei "versuchen, Brücken zwischen allen Mitgliedern der Eurozone zu bauen", erklärte Donohoe weiter. Er verwies darauf, dass Irland in der Finanzkrise auch auf ein Rettungsprogramm der europäischen Partner angewiesen war. Er wolle gleichzeitig die Erfahrungen Irlands "als kleiner Mitgliedstaat einbringen, der (...) erlebt hat, wie sich seine Wirtschaft und Gesellschaft durch die EU-Mitgliedschaft verändert hat''.

"Er wird die Eurogruppe in sehr sehr schwierigen Zeiten leiten und das sicher sehr ausgewogen und ausgezeichnet machen. Irland hat in den letzten Jahren einen disziplinierten Reformkurs hingelegt und kennt die An- und Herausforderungen der europäischen Hilfsmechanismen. Gerade wenn es um den Einsatz von Steuergeld geht, braucht es Verständnis für die Positionen der kleineren und mittleren Volkswirtschaften", gratulierte Österreichs Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) seinem irischen Amtskollegen zur Wahl zum Präsidenten der Eurogruppe.

Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte, der liberal-konservative Donohoe habe als Minister "gute Arbeit geleistet". Er sei sicher, dass es unter ihm möglich sein werde, "dass wir die wirtschaftliche Entwicklung in Europa voranbringen können". Scholz sagte auch, Centeno habe seinen Job sehr gut gemacht.

Seit 2017 Finanzminister

Donohoe gehört der liberal-konservativen Partei Fine Gael an und ist seit Juni 2017 Irlands Finanzminister. Unter seiner Führung gelang der irischen Regierung nach der Finanzkrise erstmals seit einem Jahrzehnt eine Rückkehr zu einem Haushaltsplus. Zuvor war er in der Dubliner Regierung unter anderem für Verkehr und Europaangelegenheiten zuständig.

Ursprünglich kam Donohoe aus der Wirtschaft. Nach dem Studium der Politik und Wirtschaft ging er zunächst zum US-Konsumgüterkonzern Procter & Gamble in den Verkauf. 2003 wechselte er zum Getränke-Konzern Diageo, der auch das Guinness-Bier herstellt, bevor er sich der Politik zuwandte. 2004 wurde er in den Stadtrat der irischen Hauptstadt gewählt.

Vor dem Portugiesen Centeno hatte die Eurogruppe bisher zwei Präsidenten: von 2005 bis 2013 den Luxemburger Jean-Claude Juncker, der später EU-Kommissionspräsident war; und von Jänner 2013 bis Anfang 2018 den Niederländer Jeroen Dijsselbloem.

Schwere Zeiten

Mitten in der Coronakrise muss Donohoe die Euro-Zone nun zusammenhalten, in der alle Länder dieses Jahr mit schweren Rezessionen zu kämpfen haben. Das wird die ohnehin schon hohe Schuldenlast – in Italien und Griechenland etwa – noch weiter verstärken. Experten fürchten eine zunehmende Spaltung in Europa. Außerdem soll die Euro-Zone in den nächsten Jahren um Bulgarien und Kroatien ergänzt werden. Hier werden in Kürze wichtige Vorentscheidungen erwartet. Donohoe gilt als Gegner einer europäischen Digitalsteuer, die beispielsweise Frankreich anstrebt.

Beim voraussichtlich mindestens 500 Milliarden Euro schweren Corona-Wiederaufbaufonds der EU spielt die Eurogruppe momentan allerdings nicht die Hauptrolle. Hier werden die wichtigsten Entscheidungen auf Ebene aller EU-Staaten und auch der Staats- und Regierungschefs getroffen. (APA/AFP, 9.7.2020)