Künftig gibt es nur noch 60 der aktuell 121 Citybike-Verleihstationen in Wien. Vor allem innenstadtnahe Ausleihpunkte werden abgebaut.

Foto: Robert Newald

Wien – Die Firma Gewista, die die Citybikes in Wien betreibt, macht nach Informationen des STANDARD ihre Drohung wahr: Weil es keine Einigung mit der Stadt über eine Übernahme von laufenden Kosten gibt, sollen in den kommenden Tagen gleich die Hälfte der 121 Radverleihstationen von Citybike im Stadtgebiet deaktiviert und abgebaut werden. Damit steht das einzige verbliebene große Leihfahrradsystem in Wien, das es seit 2003 gibt, praktisch vor dem Aus: Denn der Großteil der Stationen, die nun ab Montag entfernt werden, befindet sich laut Gewista innerhalb des Gürtels. Die aktuelle Attraktivität des Citybike-Netzes ist mit den wenigen verbleibenden zentrumsnahen Stationen und größeren Abständen zwischen den Ausleihpunkten dahin.

Streit um 1,1 Millionen Euro Kosten pro Jahr

Zum Hintergrund: Das private Werbeunternehmen Gewista, das zum internationalen Konzern JC Decaux gehört, forderte seit längerem, dass die Stadt Kosten in Höhe von 1,1 Millionen Euro pro Jahr für den laufenden Betrieb von 61 Citybike-Stationen übernehmen soll. Diese wurden bislang von der Gewista mit Sponsoren errichtet und betreut. Der zuständige Magistrat lehnte aber ab – und auch in Verhandlungen mit der grünen Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin Birgit Hebein gab es keine Einigung.

Die Gewista sagte dazu: "Nachdem nun alle Verhandlungen über eine Kostenübernahme seitens der Stadt gescheitert sind und die wirtschaftlichen Folgen des Corona-Shutdowns auch unser Unternehmen stark beeinträchtigt haben, sehen wir keine andere Möglichkeit, als alle von Gewista finanzierten Stationen aus dem Netz zu nehmen."

Nur noch 60 Stationen vor allem außerhalb des Gürtels

Damit bleiben vorerst nur noch 60 Citybike-Stationen übrig, die seit dem Jahr 2010 in der zweiten Citybike-Expansionsphase überwiegend in den Außenbezirken errichtet wurden. Hier werden die anfallenden Kosten der Gewista bereits seit jeher vertraglich geregelt von der Stadt übernommen. Der laufende Aufwand alleine für diese 60 Ausleihpunkte soll jährlich rund 860.000 Euro ausmachen.

Damit wird auch abgegolten, dass die Gewista Räder mit Transportfahrzeugen von gut besuchten Stationen zu fast leeren Ausleihpunkten überstellt. Schließlich wollen Nutzer auch Räder an allen Stationen vorfinden – und die ausgeliehenen Räder an den ausgewählten Knotenpunkten in der Stadt zurückgeben können. Diese vertraglich fixierte Leistung will die Gewista weiterhin sicherstellen, wie es heißt. Nur bringt das bei bald 50 Prozent weniger Stationen wenig, das System steht vor dem Aus.

Citybikes sind die erste Stunde kostenlos

Das Citybike-Verleihsystem wurde vor 17 Jahren mit drei fixen Ausleihstationen und Eingangrädern gestartet. Bis 2015 wurde auf 121 Stationen und rund 1.500 Fahrräder erweitert, und die Flotte wurde modernisiert. Seither gab es keinen Ausbau mehr. Laut Gewista gibt es rund 500.000 registrierte Nutzer und rund 90.000 regelmäßige Benutzer.

Die Ausleihe der Citybikes ist nach einer einmaligen Anmeldegebühr von einem Euro für die erste Stunde kostenlos, erst danach fallen Gebühren an. Laut Gewista sind fast 95 Prozent der Ausleihen Gratisfahrten, denn beliebt sind vor allem kurze bis mittellange Strecken.

Der Leihfahrradmarkt in Wien schrumpft mit der massiven Reduktion der Citybikes immer weiter: Schon davor hatten sich im Jahr 2018 die asiatischen Leihfahrradanbieter Obike und Ofo – die nicht auf fixe Verleihstationen, sondern auf ein Free-Floating-System gesetzt hatten – komplett aus Wien zurückgezogen. Im März 2020 zog Donkey Republic seine Leihräder aus der Stadt ab.

Sharing-Systeme in Wien werden 2021 ausgeschrieben

Offen ist, ob die Stadt das nunmehr unattraktive Rumpf-Citybike-System weiterhin aufrechterhalten wird. Denn aktuell werde an einer Ausschreibung für neue Sharing-Systeme in Wien gearbeitet, heißt es aus dem Büro von Vizebürgermeisterin Hebein am Freitag zum STANDARD. Die Ausschreibung umfasse neben Leihfahrräder auch E-Scooter und Car-Sharing und soll 2021 aktiviert werden. Private Anbieter können sich dann darum bewerben, heißt es. Umgesetzt werden muss die neue Sharing-Strategie freilich von der neuen Stadtregierung.

Hebein sieht "völlig unbegründete" Forderungen der Gewista

Hebein sagte in einer Stellungnahme zum STANDARD: "Ich bedauere das Verhalten von Gewista sehr. Gerade in Zeiten von einem Fahrrad-Boom, wie wir ihn in den letzten Monaten gesehen haben." Die Forderungen der Gewista nannte sie "völlig unbegründet". Damit für die Citybike-Nutzer zwischenzeitlich kein Nachteil entsteht, will Hebein "Gespräche mit den Wiener Linien aufnehmen, die bereits ihr Interesse bekundet haben." (David Krutzler, 20.5.2020)