Michael Knittel (36) ist Bäcker- und Konditormeister. Er leitet die Produktion im Familienbetrieb, der Bäckerei Knittel, in Reutte.

Dominik Somweber

"Das Geheimnis eines guten Brotes ist Zeit. Viele unserer Teige rasten über 24 Stunden. Und ein Schwarzbrot braucht eine kräftige Kruste, dort bildet sich der Geschmack. Natürlich benötigt es auch den richtigen Ofen und einen guten Sauerteig. Den kann man übrigens selbst zu Hause ansetzen, da gibt’s schon hunderte Anleitungen dazu. Eine Schale mit Wasser im Backrohr macht übrigens die Kruste richtig knusprig. Fertigbackmischungen, die man schon fast überall kaufen kann, sind geschmacklich sicher nicht schlecht – aber lieber mit wenigen Zutaten selbst etwas herstellen.

Mir hat es gefallen, dass viele in der Corona-Zeit angefangen haben, selbst Brot zu backen. Ich sehe das als Wertschätzung für meinen Beruf. Es ist gut, dass die Leute sehen, dass es gar nicht so einfach ist, mit wenigen Zutaten und ganz ohne Zusatzstoffe zu backen. Das ist genau das, was mir an meinem Job Spaß macht: etwas Schmackhaftes und Duftendes mit den eigenen Händen zu produzieren. Bevor ich die Konditor- und dann auch noch die Bäckerlehre im Familienbetrieb begonnen habe, habe ich eine Ausbildung zum Koch absolviert. Meinen Meister habe ich an der HTL für Lebensmitteltechnologie in Wels gemacht, danach war ich in einer Bäckerei in St. Pölten. 2010 bin ich in meine Heimat Reutte zurückgekehrt und habe die Leitung der Produktion bei uns übernommen.

Unsere Bäckerei ist seit über hundert Jahren in Familienbesitz. Mein Vater hat die Zügel in der Hand, er führt mit seiner Frau das Unternehmen. Das ist nicht immer einfach. Auch wenn wir uns privat treffen, dreht sich alles um das Geschäft. Ich komme von meinen Reisen oft mit neuen Ideen zurück, dann diskutieren wir gern, ob die Leute bei uns im Ort das annehmen würden. Es gibt schon die 120-Kilo-Muskelpakete, die ein Eiweißbrot wollen, und dann schmieren sie sich aber ganz dick Butter aufs Brot. Bei unseren Kunden ist das Dinkelbrot beliebt, weil viele Weizenmehl vermeiden wollen und Dinkel bekömmlicher ist. Unsere Baguettes aus Weizen reißen sie uns am Samstag fürs Grillen aber trotzdem noch aus der Hand. Es muss einfach schmecken.

Das gilt auch für unseren Mohn- und Nussstrudel: Ich freu mich immer, wenn die Leut’, die bei uns im Ort auf Urlaub waren, oder die, die weggezogen sind, sich bei mir über Facebook oder E-Mail melden, weil sie zu besonderen Anlässen einen Strudel bestellen wollen. Ein Kunde kommt dafür extra aus München. Nach Norddeutschland habe ich den Strudel schon verschickt, und er hat es sogar als Urlaubsmitbringsel bis nach Kanada geschafft. Dass die so beliebt sind, liegt sicher an der Menge der Strudelfülle: Wir geben da richtig viel rein.

Verantwortung vorleben

Wir versuchen, so regional wie möglich einzukaufen. Eier und Milch kommen direkt von einem Bauern aus der Umgebung, das Mehl aus Innsbruck. Die Saaten besorgen wir über eine Einkaufsgenossenschaft. Wir schauen darauf, dass unsere Produkte aus Österreich kommen, obwohl das Allgäu für uns manchmal näher wäre. Noch suchen wir eine Alternative für die Schrumpffolie, mit der wir manche Backwaren luftdicht verpacken. Die Restenergie der Öfen und Kälteanlagen nützen wir, um zwei Häuser das ganze Jahr zu beheizen.

Ich will auch Wissen weitergeben und neue Facharbeiter in unserem Betrieb ausbilden. Unsere vier Lehrlinge kommen aus dem Ort. Ich bin schon stolz darauf, dass wir in Zeiten, in denen es nicht mehr so leicht ist, Lehrlinge zu finden, so tüchtige für unsere Bäckerei gewinnen konnten. Wichtig ist, dass sie in unserer Branche bleiben. Geld spielt für die meisten gar nicht mehr so eine große Rolle. Es geht ihnen um mehr Freizeit. Als Bäcker kommt man aber schwer um eine Sechstagewoche herum.

Im Lockdown sind wir mit einem blauen Auge davongekommen. Den Betrieb im Café haben wir zwar einstellen müssen, aber niemanden entlassen müssen. Das war uns wichtig. Die Supermärkte haben dafür mehr bestellt, und es sind sogar mehr Leute in unsere Bäckerei gekommen. Das beste Geschäft ist für uns immer noch das, das wir selbst im Laden machen. Es macht ungefähr 60 Prozent des Umsatzes aus. Wir zahlen auch keine Pacht, weil uns das Haus gehört. Zusätzlich beliefern wir das Krankenhaus in Reutte, Hotels im Ort und die Campingplätze.

Ob mir das frühe Aufstehen zu schaffen macht? Ich hab doch viel vom Tag, wenn ich von neun bis 14 Uhr schlafe – ich kann schwimmen, Skifahren gehen. Kurz vor Mitternacht, bevor es für mich losgeht, leg ich mich noch eine Stunde hin. Mich freut's, wenn ich in der Früh heimfahre und schon alles erledigt habe, während die anderen erst in die Arbeit müssen." (Protokoll: Stefanie Leschnik, 13.7.2020)