Exil-Uiguren weltweit protestieren immer wieder gegen die Zustände in ihrer Heimat.

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Es sind Stellschrauben, die auf individueller Ebene vielleicht wenig Wirkung zeigen. Chen Quanguo etwa, Chef der Kommunistischen Partei in der Unruheregion Xinjiang im Nordwesten Chinas, hatte wohl demnächst ohnehin keine USA-Reise geplant. Und doch sind die Sanktionen, die die USA am Donnerstagabend verkündeten, ein Symbol mit Breitenwirkung.

"Die USA werden nicht tatenlos zusehen, wie die chinesische Kommunistische Partei Menschenrechtsverletzungen gegen Uiguren [...] durchführt", begründete US-Außenminister Mike Pompeo den Schritt. Er warf Peking vor, in Xinjiang Zwangsarbeit, willkürliche Masseninhaftierungen und erzwungene Geburtenkontrollen durchzuführen.

Vier Personen sind von den Sanktionen betroffen: Neben Chen sind das sein ehemaliger Vize Zhu Hailun, der Chef des Xinjiang-Büros für öffentliche Sicherheit (XBSB), Wang Mingshan, sowie sein Vorgänger Huo Liujun. Eventuelle Gelder der Personen in den USA würden eingefroren, weder sie noch ihre Familien dürfen in die USA einreisen.

Elf Jahre nach den blutigen Unruhen in der regionalen Hauptstadt Urumqi riefen auch das US-Finanzministerium und das Weiße Haus dazu auf, sich gegen Maßnahmen wie "religiöse Verfolgung sowie erzwungene Geburtenkontrolle und Sterilisierungen" zu stellen. Im Lauf der vergangenen Monate tauchten immer mehr Dokumente und Zeugen auf, die die Vorwürfe untermauerten. Vor allem das berüchtigte Netzwerk von "Umerziehungslagern" löste weltweit Kritik aus. Laut einem Uno-Bericht von 2018 sollen in solchen Lagern über eine Million Uiguren festgehalten werden.

Freiwillig in "Berufsausbildungseinrichtungen"

China dementiert seit Beginn der Kontroverse den Vorwurf der Menschenrechtsverletzung. Anfangs bestritt es die Existenz der Lager generell. Als Reaktion auf den Uno-Bericht sprach Peking von "Berufsausbildungseinrichtungen", in denen sich die Menschen freiwillig befänden. Geleakte Dokumente vom vergangenen Winter, bekannt unter dem Namen "China Cables", offenbarten jedoch das Ausmaß der Politik.

Chen Quanguo ist von den Sanktionen betroffen.
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Der nun mit Sanktionen belegte Chen Quanguo ist einer der Masterminds hinter dem Aufbau der Lager. Bevor er 2016 nach Xinjiang kam, hat er ähnliche Maßnahmen in Tibet umgesetzt, wenn auch in kleinerem Maßstab.

Schlechte Beziehungen

Wenn die USA bisher auch zu den lautesten Kritikern der Verfolgung von Uiguren zählten, hatte sich Washington doch mit Sanktionen gegenüber China zurückgehalten. Eine mögliche Einigung im Handelsstreit sollte nicht gefährdet werden. Doch in den vergangenen Wochen haben sich die Beziehungen erneut verschlechtert.

Als Peking Mitte Juni ein höchst umstrittenes Sicherheitsgesetz für Hongkong beschloss, war für Washington eine rote Linie überschritten. Analysten sehen in dem neuen Gesetz die De-facto-Auslöschung der Hongkong eigentlich zugesicherten Autonomierechte. Washington kündigte prompt Sanktionen an und setzte diese vor knapp zwei Wochen um: Genauso wie im Fall Xinjiang wurden hohe Funktionäre der Kommunistischen Partei mit Einreiseverboten belegt.

Mike Pompeo verkündete in letzter Zeit häufiger Sanktionen gegen China.
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Und auch bei einer dritten Baustelle setzten die USA den Sanktionshebel an. Hochrangige KP-Beamte in Tibet wurden ebenfalls sanktioniert – und zwar jene, die maßgeblich daran beteiligt sind, Ausländer an der Einreise nach Tibet zu hindern, so Pompeo. Die Autonome Region Tibet (TAR) unterliegt ja strikten Ein- und Ausreisebestimmungen. Vor allem Journalisten und Diplomaten ist es nur sehr schwer möglich, nach Tibet zu reisen. Der Zugang sei aber essenziell "angesichts der dortigen Menschenrechtsverletzungen und Pekings Versagen in Umweltfragen nahe den Quellgebieten von Asiens größten Flüssen", erklärte Pompeo Mitte dieser Woche.

China reagiert mit Vergeltungsdrohungen

China reagierte auf die neuen Sanktionen scharf und kündigte seinerseits am Freitag Gegensanktionen an – einstweilen ohne Details zu nennen. Die US-Sanktionen seien eine "gravierende Einmischung in China Angelegenheiten", heißt es aus dem Außenministerium. "Wenn die Vereinigten Staaten darauf bestehen, arrogant zu handeln, wird China definitiv zurückschlagen", betonte ein Sprecher des Ministeriums. (Anna Sawerthal, 10.7.2020)