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Der russische Botschafter Ljubinski war "äußerst froh" über das Treffen im Bundeskanzleramt.

Foto: AP/Lilli Strauss

Wien – Nach der Bluttat von Gerasdorf, bei der der tschetschenische Flüchtling Mamichan U. getötet wurde, hat es diplomatische Kontakte zwischen Vertretern Österreichs und Russlands gegeben. Das Bundeskanzleramt bestätigte am Freitag ein Treffen von Generalsekretär Bernd Brünner mit dem russischen Botschafter Dmitri Ljubinski. "Österreich verurteilt die Tötung zutiefst", betonte ein Sprecher zur APA.

"Derartige Gewaltexzesse haben in Österreich nichts zu suchen. Eine rasche Aufklärung der Gewalttat ist höchste Priorität der österreichischen Behörden", hieß es in der Stellungnahme des Bundeskanzleramts. Die Grünen hatten eine offizielle Reaktion gefordert, sollte sich bestätigen, dass Russland hinter der Tat stecke. "Wenn sich der Verdacht in Richtung Russland erhärtet, darf Österreich nicht schweigen", sagte die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, der "Presse" vom Freitag.

Am Donnerstag hatten sowohl der Kreml als auch das russische Außenministerium und der tschetschenische Regionalpräsident Ramsan Kadyrow jegliche Verantwortung zurückgewiesen.

"Inhaltreiches" Antrittsgespräch

Das Treffen zwischen Ljubinski und Brünner fand am Donnerstag im Bundeskanzleramt statt. Es handelte sich um einen "Antrittsbesuch, der anlässlich des Spatenstichs zur Shoa-Namensmauer vereinbart wurde", erklärte das Bundeskanzleramt. Im Rahmen des Gesprächs seien allgemeine bilaterale sowie aktuelle Themen besprochen worden. Auch die Menschenrechtssituation in Russland sei angesprochen worden, unter anderem Österreichs Sorge bezüglich der Situation der Opposition und Stigmatisierung von LGBTI (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender-Personen und Intersexuelle).

Ljubinski erklärte auf Facebook, "äußerst froh" zu sein, "dass direkte Kontakte mit der Leitung des Bundeskanzleramtes Österreichs wieder aufgenommen werden". "Für ein inhaltsreiches Gespräch zu einer breiten Reihe der Fragen" sei er Brünner "dankbar", so Ljubinski. In einer Erklärung betonte er außerdem, dass auf russische Initiative Vertreter der russischen und österreichischen Strafverfolgungsbehörden und Dienste in Kontakt getreten seien. "Von russischer Seite wurde die Bereitwilligkeit zu einem engen Zusammenwirken bestätigt."

Hintergründe zu mutmaßlichem Mord noch unklar

Mamichan U., der sich in Martin B. umbenannt hatte und als "Ansor aus Wien" aufgetreten war, war am Samstagabend in Gerasdorf von mehreren Kugeln getroffen worden. Die Todesursache war laut der Obduktion ein Kopfschuss. Die Hintergründe der Tat sind aber noch unklar. Die Polizei schließt nicht aus, dass es sich um einen Auftragsmord handeln könnte. Es könnte aber auch ein Streit eskaliert sein.

Martin B. war seit seiner Flucht nach Österreich 2007 anerkannter Konventionsflüchtling. Ein Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus war im Laufen, der 43-Jährige hatte Rechtsmittel gegen die erstinstanzliche Entscheidung eingelegt. Auch die beiden Verdächtigen, die in Untersuchungshaft sitzen, sind anerkannte Flüchtlinge aus Tschetschenien. "Ansor aus Wien" war in den vergangenen drei Monaten ein bekanntes tschetschenisches Gesicht aus Österreich gewesen. Seit April hatte er 29 Videos auf seinem Youtube-Kanal veröffentlicht, in denen er insbesondere Kadyrow und dessen Familie wüst beschimpfte.

Russland weist Beteiligung Tschetscheniens zurück

Kadyrow selbst erklärte die Tat mit einer westlichen Geheimdienstverschwörung. "Bevor diese Hunde in Schande für jedes Wort zur Verantwortung gezogen werden können, werden sie von Mördern gerettet, die von Geheimdiensten bezahlt werden", sagte Kadyrow in einer Stellungnahme. Das russische Außenministerium betonte: "Wir stellen mit Bedauern fest, dass in einer Reihe von Publikationen über eine mögliche Beteiligung der tschetschenischen Regierung an der Ermordung spekuliert wurde. Wir weisen diese Anspielungen äußerst kategorisch zurück." (APA, 10.7.2020)