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Die Hagia Sophia wurde zu Unrecht 1934 von einer Moschee in ein Museum umgewandelt, entschied ein türkisches Gericht.

Foto: AP / Emrah Gurel

Istanbul – Das berühmteste Bauwerk der Türkei, die Hagia Sophia in Istanbul, wird von einem Museum wieder in eine Moschee umgewandelt. Wie der türkische Staatsrat in einer historischen Entscheidung am Freitagnachmittag bekanntgab, wird eine Ministerratsentscheidung von 1934, mit der die Ayasofya-Moschee, wie sie im Türkischen heißt, zum Museum erklärt worden war, aufgehoben. Mit diesem formalen Akt ist nun Präsident Recep Tayyip Erdoğan befugt, das Weltkulturerbe Hagia Sophia wieder in eine Moschee umzuwidmen. Per Dekret hat er noch am Freitag verfügt, dass die Religionsbehörde Diyanet die Verwaltung der Hagia Sophia übernehmen soll.

Lange Vorgeschichte

Damit triumphieren nach jahrelangen Debatten die Islamisten und Nationalisten in der Türkei, die seit jeher gefordert hatten, aus dem weltberühmten Bau wieder eine Moschee zu machen. Die Entscheidung 1934 war gefallen, als die türkische Republik die Trennung von Staat und Religion verfassungsmäßig verankert hatte und die Hagia Sophia allen Menschen aller Religionen als Museum zugänglich machen wollte.

Die Entscheidung fiel nach massivem politischem Druck auf den Staatsrat, der gleichzeitig das oberste Verwaltungsgericht darstellt. Immer wieder hatte Präsident Erdoğan in den letzten Wochen gefordert, die Hagia Sophia müsse wieder ein Ort des Gebets für muslimische Gläubige werden.

Großes Symbol

Die Umwidmung des Museums in eine Moschee soll nun sehr schnell gehen. Mehrfach hatte Erdoğan in den letzten Tagen angekündigt, das erste große Gebet solle dort spätestens am 15. Juli stattfinden, dem Jahrestag des vereitelten Putschversuches von 2016, den der Präsident groß feiern will. Am Freitag fasste er den 24. Juli ins Auge.

Die Aufhebung des Museumsstatus des berühmtesten Gebäudes in der Türkei hat hochsymbolische Bedeutung. Die im sechsten Jahrhundert als Hauptkirche der orthodoxen Christen gebaute Hagia Sophia wird seit der Eroberung Konstantinopels 1453 von konservativen Muslimen und fundamentalistischen islamischen Eiferern gleichermaßen als wichtigstes Heiligtum nach Mekka und dem Tempeldom in Jerusalem angesehen.

Kritik aus aller Welt

Neben der russisch-orthodoxen Kirche sind es vor allem die Griechen, die durch den Triumph der Islamisten vor den Kopf gestoßen werden. Der in Istanbul residierende spirituelle Führer aller orthodoxen Kirchen weltweit, Bartholomäus I., hatte Erdoğan gewarnt, mit einem solchen Schritt würde er Millionen Christen in aller Welt brüskieren. Auch US-Außenminister Mike Pompeo, die EU-Kommission und ein Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin protestierten bereits im Vorfeld gegen das Vorhaben.

Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) kritisierte den Schritt der Türkei. "Als Museum stand die Hagia Sophia Millionen Menschen aller Kulturen und Religionen offen. Die heutige Entscheidung, diesen Status aufzuheben, ist ein weiterer Schritt der Türkei weg von Europa, den wir zutiefst bedauern und nicht nachvollziehen können", erklärte Schallenberg.

Doch Recep Tayyip Erdoğan scheint die Kritik gleichgültig zu sein. Es sind nicht nur seine fallenden Zustimmungswerte, die ihn neue Wähler unter Islamisten und Nationalisten suchen lassen. Er will auch in die Geschichte eingehen als derjenige Führer, der die Türkei wieder zu einem islamischen Staat gemacht hat. Die Umwidmung des Museums ist ein großer Schritt in diese Richtung. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul, APA, 10.7.2020)