Der irdische Sommerreiseverkehr dürfte inmitten der weltweiten Corona-Krise vergleichsweise ruhig ausfallen. Für die Hauptverkehrsroute zu unserem Nachbarplaneten gilt das nicht: Gleich drei Weltraummissionen werden in den kommenden Wochen zum Mars aufbrechen – ein Rekord. Ihre wissenschaftlichen Aufgaben unterscheiden sich deutlich voneinander, doch es gibt auch Gemeinsamkeiten dieser ambitionierten Vorhaben. Sie sollen neben der Erforschung des Roten Planeten neue Technologien erproben, die eines Tages auch astronautische Flüge zum Mars ermöglichen könnten. Nicht zuletzt geht es den verantwortlichen Staaten um Prestige, außerirdische Präsenz und die eigene Stellung unter den Weltraumnationen – das All ist in den vergangenen Jahren wieder stärker in den Fokus der internationalen Politik gerückt.

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Dem rötlichen Eisenoxidstaub auf seiner Oberfläche verdankt der Mars seinen Beinamen Roter Planet.
Illustration: Getty Images

Die vielfach Mars-erprobte US-Weltraumbehörde Nasa schickt voraussichtlich am 30. Juli mit dem Marsfahrzeug Perseverance ihren fünften Forschungsrover los, die Landung ist für Februar 2021 geplant. Für das auch in der Raumfahrt aufstrebende China soll es dagegen eine fulminante Premiere werden: Mit der frühestens am 23. Juli startenden Mission Tianwen-1 (auf Deutsch "Himmelsfrage-1") will die Volksrepublik erstmals einen Lander und einen kleinen Rover auf den Mars bringen sowie eine Sonde im Orbit des Planeten platzieren. Und auch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) planen für Juli ihren ersten Start in Richtung Mars. Mit japanischer und US-amerikanischer Unterstützung soll die erste arabische Raumsonde Al-Amal ("die Hoffnung") zum Mars fliegen und, wenn auch ohne Landung, den Roten Planeten aus einer Umlaufbahn studieren.

Europa muss warten

Die europäische Weltraumorganisation Esa hätte diesen Sommer ebenfalls gerne mitgemischt. Sie musste ihre Pläne für den Start eines eigenen Marsrovers in Zusammenarbeit mit der russischen Weltraumagentur Roskosmos allerdings vor wenigen Monaten verschieben: Der Fallschirm des Marslanders Rosalind Franklin machte in Tests immer wieder Probleme. Nachdem die erste europäische Probelandung auf dem Mars mit einem kleinen Roboter im Herbst 2016 mit einem desaströsen Absturz geendet hatte, will man bei der Esa keine Risiken eingehen. Nun ist der Start für 2022 vorgesehen.

Der aktuelle Andrang auf den Mars hat einen ganz praktischen Hintergrund: Der Sommer 2020 bietet eine günstige Gelegenheit für die Reise zu unserem äußeren Nachbarplaneten. Um Flugdauer, Treibstoffbedarf und Kosten möglichst gering zu halten, muss eine Marsmission die Erde zum richtigen Zeitpunkt verlassen, an dem die Planetenkonstellation für den Flug ideal ist (siehe Grafik). Ein solches Startfenster öffnet sich alle 26 Monate, dann ist mehrere Wochen lang ein besonders effizienter Flug möglich. 2020 ist das von Mitte Juli bis Mitte August der Fall – die Reise zum Mars ist in sieben bis acht Monaten machbar. Die Starttermine der bevorstehenden Marsmissionen können sich also noch um Tage bis maximal zwei Wochen nach hinten verschieben – wer aber bis dann nicht abgehoben ist, muss bis zur nächsten Gelegenheit im Jahr 2022 auf dem Erdboden bleiben.

Grafik: Standard/Aydogdu; Quelle: Nasa

Die Hoffnung fliegt zuerst

Die Raumsonde Al-Amal sollte am 14. Juli den Anfang machen. Der Start wurde aber wegen Schlechtwetters verschoben. Ein weiterer Versuch soll noch im Juli stattfinden, ein genaues Datum ist noch nicht bekannt. Wenn alles klappt, soll die Sonde, die von Ingenieuren aus den Emiraten und den USA gemeinsam an der University of Colorado Boulder gebaut wurde, dann den japanischen Weltraumbahnhof Tanegashima verlassen und gut sieben Monate später beim Mars eintreffen. Dort soll der etwa Pkw-große Orbiter in eine elliptische Umlaufbahn um den Planeten einschwenken und mithilfe seiner drei wissenschaftlichen Hauptinstrumente Informationen über die Atmosphäre und klimarelevante Prozesse auf dem Mars sammeln.

Die Raumsonde Al-Amal könnte schon am 14. Juli starten.
Foto: MBRSC

Die Analysen sollen auch dabei helfen, Vorgänge in der Atmosphäre der Erde besser zu verstehen und Prognosemodelle zu verfeinern. Revolutionäre Erkenntnisse sind von dieser Mission kaum zu erwarten – ähnliche Untersuchungen haben schon viele Marssonden durchgeführt, aktuell befinden sich sechs Satelliten im Marsorbit.

Ambitionierte Monarchie

Für die Vereinigten Arabischen Emirate geht es aber um mehr als einen Beitrag zur interplanetaren Klimaforschung: Die ölreiche Erbmonarchie auf der Arabischen Halbinsel will in die Raumfahrtelite aufsteigen. Erst 2014 hat das Land eine eigene Weltraumagentur gegründet und seither Milliardensummen in den Aufbau der nationalen Raumfahrt investiert. Erklärtes Ziel ist, einen innovativen neuen Wirtschaftssektor zu schaffen und damit ein Stück unabhängiger vom Erdöl zu werden.

Ein prestigeträchtiger Erfolg gelang den Emiraten vergangenen September, als sie mit dem 35-jährigen Hassan al-Mansouri den ersten arabischen Astronauten zur Internationalen Raumstation schickten. Der Start einer eigenen Marssonde ist das bislang ambitionierteste Projekt des Landes. "Als die VAE gegründet wurden, schickten andere Länder bereits Menschen ins All. Aufzuholen bedeutet für uns, jetzt schneller zu sein als andere", sagte Omran Scharaf, Projektmanager der Mission, kürzlich in einem Interview. Der Start bedeutet übrigens auch für ein anderes Land eine Premiere: Abheben wird die die arabische Sonde mit der japanischen Trägerrakete H-II, die bislang noch nie bei einer Marsmission zum Einsatz kam.

Kompliziertes Bremsmanöver

Unseren Planeten zu verlassen ist für die bevorstehenden Missionen der USA und Chinas das geringste Problem. Sie sollen nicht nur eine Umlaufbahn des Roten Planeten erreichen, sondern auch dessen Oberfläche – in einem Stück und mit intakten wissenschaftlichen Instrumenten an Bord. Landungen auf dem Mars zählen zu den technologisch größten Herausforderungen der Raumfahrt, davon zeugt nicht zuletzt die lange Liste vergangener Fehlschläge. Von bisher 18 Versuchen, Lander oder Rover heil auf den Mars zu bringen, klappten nur zehn.

Das hat vor allem zwei Gründe: Zum einen ist die Marsatmosphäre dünn und erschwert das Abbremsen eines heranrasenden Raumfahrzeugs im Landeanflug, daher ist ein mehrteiliges Bremssystem nötig – ein Fallschirm allein reicht nicht aus. Zum anderen muss die Landung komplett autonom ablaufen. Die Entfernung zwischen Mars und Erde ist zu groß, als dass eine direkte Steuerung in Echtzeit möglich wäre, gut zehn Minuten braucht ein Signal in eine Richtung. Bis wir hier also Nachrichten vom Mars empfangen, ist dort längst alles gelaufen.

Die größte Erfahrung mit solchen brenzligen Manövern hat zweifellos die Nasa: Neun der zehn erfolgreichen Mars-Landungen waren amerikanische Missionen. Einmal gelang auch Russland die Landung, doch nur Sekunden später riss der Funkkontakt ab, und der Rover war verloren, ehe seine eigentliche Mission überhaupt begonnen hatte.

China stellt die Himmelsfrage

Nun will China als neuer Player auf dem Mars in die Raumfahrtgeschichte eingehen. Das Land setzt viel daran, auch in der Raumfahrt eine Großmacht zu werden, und verfolgt seit Jahren ein ehrgeiziges Programm, nicht nur in Sachen Satellitentechnik: 2003 brachte die nationale Raumfahrtbehörde China National Space Administration (CNSA) zum ersten Mal einen Raumfahrer ins All, in den darauffolgenden Jahren erforschten chinesische Sonden und Mondfahrzeuge den Erdtrabanten.

China will erstmals auf dem Roten Planeten landen – das ist das wichtigste Ziel der dreiteiligen Mission Tianwen-1.
Illustration: CNSA

In den kommenden Jahren soll eine chinesische Raumstation in Betrieb gehen, in den 2030ern will Peking auch Menschen zum Mond bringen. Chinas erster Versuch, den Mars zu erreichen, scheiterte allerdings spektakulär: Der Marsorbiter Yinghuo-1, der Ende 2011 mit einer russischen Rakete zu unserem Nachbarplaneten starten sollte, schaffte es nicht in die Mars-Transferbahn und verglühte über dem Pazifik.

Dreiteilige Mission

Diesmal versucht es Peking im Alleingang, als Vehikel dient die chinesische Trägerrakete Langer Marsch 5. Die Mission Tianwen-1 besteht gleich aus drei Teilen: einer Sonde, einem Landemodul und einem kleinen Rover. Die Sonde soll, wie Al-Amal, in den Marsorbit gebracht werden und dort Daten sammeln, während der Lander den Rover auf die Oberfläche bringen soll.

Als Ziele der Mission nennt China die Erforschung der Topografie und geologischen Zusammensetzung des Roten Planeten und seiner inneren Struktur. Rover und Sonde verfügen über gut ein Dutzend wissenschaftlicher Instrumente, am Bau eines Magnetometers war auch das Grazer Institut für Weltraumforschung beteiligt.

In erster Linie dient Tianwen-1 aber der Erprobung neuer chinesischer Technologien für künftige Einsätze im All: Der Betrieb einer Sonde im Marsorbit sowie die riskante Landung und Steuerung eines Rovers sind wichtige Meilensteine für die weiteren Weltraumpläne des Landes. Was nähere Details zum Ablauf der Mission angeht, hält sich China allerdings bedeckt. Womöglich sollen die Erwartungen für den Fall eines Fehlschlags nicht allzu hoch gesteckt werden. Unklar ist auch, ob China wissenschaftliche Ergebnisse der Mission für Forscher weltweit frei zugänglich machen wird, wie es etwa Nasa und Esa tun.

Update für Marsveteranen

Anders als die CNSA setzt die Nasa wie gewohnt auf eine große mediale Inszenierung ihrer bevorstehenden Mars-Unternehmung. Auch für sie steht viel auf dem Spiel, politisch wie technologisch: Zwar war der amtierende US-Präsident Donald Trump noch lange nicht in der Politik, als die Mars 2020 genannte Mission geplant wurde – seine Administration steckt aber wieder mehr Geld in die Raumfahrt und will Amerikas Führungsrolle bei der Erkundung des Weltalls weiter ausbauen. In den kommenden Jahren sollen wieder US-Astronauten den Mond betreten – und eines Tages auch den Mars. Ein Nasa-Crash und eine erfolgreiche chinesische Landung auf dem Roten Planeten 2021, wenn auch nur mit Robotern, wären ein PR-Desaster.

Der neue Nasa-Marsrover Perseverance baut auf der Technologie seines Vorgängers Curiosity auf.
Illustration: Nasa/JPL-Caltech

Der neue Nasa-Marsrover Perseverance (auf Deutsch: Ausdauer) baut auf erprobter Technologie auf. Das ausgefeilte Landemanöver (siehe Grafik) hat sich schon 2012 bewährt, als der bislang letzte amerikanische Rover, Curiosity, den Marsboden erreichte. Ansonsten ähnelt Perseverance seinem Vorgänger nur auf den ersten Blick. Er ist deutlich robuster, schwerer und mit anderen wissenschaftlichen Instrumenten ausgestattet. Zudem hat der Roboter eine kleine Helikopterdrohne namens Ingenuity dabei, die kurze Testflüge durch die dünne Marsatmosphäre unternehmen soll.

Grafik: Der Standard/Köck; Quelle: Nasa

Der Traum von der multiplanetaren Spezies

Perseverance soll hauptsächlich nach Spuren früheren Lebens auf dem Mars suchen und erstmals auch Bodenproben für einen möglichen späteren Rücktransport zur Erde sammeln. Ein anderes Experiment an Bord des Rovers dient noch weitaus ambitionierteren Zukunftsplänen: Es soll zeigen, ob Kohlendioxid aus der Marsatmosphäre in Sauerstoff umgewandelt werden kann, mit dem theoretisch Raumfahrer versorgt und Treibstoff für Rückflüge zur Erde hergestellt werden könnten.

Dieser Schnappschuss aus dem Gale-Krater stammt von Curiosity. Bis Menschen ein Marspanorama erstmals mit eigenen Augen erblicken können, wird es noch dauern.
Foto: Nasa/JPl-Caltech/ASU

Bis aber wirklich einmal Menschen Richtung Mars abheben können, gibt es noch sehr viele Probleme zu lösen – in technischer wie in medizinischer Hinsicht. Die Gefahr, dass Raumfahrer während des langen Fluges schwere gesundheitliche Schäden erleiden, ist enorm, von den Folgen eines Aufenthalts auf dem alles andere als lebensfreundlichen Roten Planeten einmal ganz abgesehen. (David Rennert, 13.7.2020)