Ein Desaster: So bezeichnen italienische Medien die schleppende Verbreitung der Contact-Tracing-App "Immuni". Der zuständige Regierungskommissar formuliert es zwar diplomatischer, macht aber ebenfalls keinen Hehl aus seiner Enttäuschung: Die App habe nicht das erwartete Ziel erreicht, betont Domenico Arcuri. Mit vier Millionen Downloads habe man gerade einmal zehn Prozent der Bevölkerung erreicht.

Aus österreichischer Perspektive kommt diese Form der Selbstgeißelung etwas überraschend. Immerhin erreicht die italienische App damit den gleichen Verbreitungsgrad wie die österreichische mit ihren rund 800.000 Downloads. Und dies, obwohl es die heimische "Stopp Corona"-App schon erheblich länger gibt. Besser sieht es hingegen in Deutschland aus: Dort wurde die App bisher bereits rund 15 Millionen Mal heruntergeladen – prozentual gesehen ist die Verbreitung also fast doppelt so groß wie in Österreich. Das wirft natürlich die Frage auf: Was hat das Rote Kreuz bloß falsch gemacht? So paradox das klingen mag: eigentlich nichts.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober präsentiert die "Stopp-Corona-App".
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Im Nachhinein stellt es sich als Nachteil heraus, dass die "Stopp Corona"-App so früh verfügbar war. Die anfänglichen technischen Probleme sind längst ausgeräumt, der negative Eindruck ist aber bei vielen geblieben – während andere Länder indirekt von dieser Pionierrolle profitieren. Noch schädlicher war eine von Teilen der ÖVP losgetretene Diskussion über eine mögliche Verpflichtung zur App-Nutzung – obwohl das Rote Kreuz immer auf Freiwilligkeit pochte. Mittlerweile sind beide Themen Makulatur. Sowohl die "Stopp Corona"-App als auch ihre Pendants in Italien und Deutschland nutzen von Apple und Google gemeinsam entwickelte Schnittstellen. Und diese schreiben nicht nur die Freiwilligkeit vor, die technische Umsetzung wird auch von Datenschützern gelobt.

Mangelhafte Download-Zahlen

Ein weiterer Faktor für die bessere Verbreitung in Deutschland: Die öffentliche Unterstützung ist dort ungleich stärker. In Österreich sind zwar eine Werbekampagne und eine zivilgesellschaftliche Plattform zur Unterstützung angekündigt, im Vergleich wirkt all das aber noch ziemlich diffus. Was beide Länder eint: Die Chance, derzeit eine Krankmeldung über die App zu erhalten, ist statistisch gesehen ziemlich gering. Das liegt sowohl an den mangelhaften Download-Zahlen als auch an der generell derzeit relativ geringen Verbreitung von Covid-19.

Vom Roten Kreuz heißt es dazu, dass seit dem 25. Juni erst zehn bestätigte Krankmeldungen über die App kommuniziert wurden, dazu kommen 100 Menschen, die entsprechende Symptome gemeldet haben. Da die App zudem – aus Datenschutzgründen – nicht ausweist, wann Kontakte verzeichnet wurden, fragen sich erst recht wieder viele Nutzer, ob die App überhaupt funktioniert – kein guter Anreiz, sie installiert zu lassen. Dass bisher tatsächlich niemand seriös sagen kann, wie hilfreich die App überhaupt ist – einfach weil es keine Erfahrungswerte, aber viele Unsicherheitsfaktoren gibt –, ist auch nicht unbedingt die beste Werbung.

Für das Rote Kreuz bleibt aber zumindest ein – wenn auch etwas zynischer – Trost: Sollten die Infektionszahlen im Herbst tatsächlich wieder ansteigen, werden wohl auch die App-Downloads signifikant zunehmen. Vorausgesetzt natürlich, dass die heimische Politik nicht wieder mit entbehrlichen Wortmeldungen querschießt. (Andreas Proschofsky, 11.7.2020)