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Wegen des Coronavirus können viele Angehörige nicht an den Trauerfeierlichkeiten zum 25. Jahrestag des Völkermords teilnehmen, so wie hier in Potocari nahe Srebrenica.

Foto: REUTERS/Tyrone Siu

Srebrenica – Bei einer Trauerfeier in der Opfergedenkstätte Potocari haben Bosnien-Herzegowina und politische Vertreter aus aller Welt des Massakers von Srebrenica vor 25 Jahren gedacht. Hinterbliebene der Opfer, bosnische Spitzenpolitiker und ausländische Diplomaten legten Blumen am Denkmal nieder.

Hohe ausländische Staatsgäste konnten wegen der Corona-Pandemie nicht kommen. Dafür gab es Videobotschaften, etwa von UNO-Generalsekretär Antonio Guterres oder EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte in seiner Videobotschaft: "Erinnern an das Leid und den Schmerz ist ein zentraler Baustein für Versöhnung." Die strafrechtliche Aufarbeitung der Geschehnisse sei dafür unumgänglich, zugleich gelte es aber auch, "neue Brücken zu bauen, wo alte zerstört wurden". "Die Wunden, die vor 25 Jahren in Ihre Gesellschaft gerissen wurden, sind nicht verheilt", betonte er. Dafür sei auch eine Rhetorik verantwortlich, die "das vermeintlich Trennende" in den Vordergrund stelle. Stattdessen sollten geteilte Sorgen und Nöte überwiegen und der Wunsch nach einer guten Zukunft für die Kinder "in einem europäischen Bosnien und Herzegowina". Es gelte, das Gespräch zu suchen, "wo lange kein Wort mehr gesagt wurde".

US-Außenminister Mike Pompeo erklärte: "Wir trauern mit den Familien, die so viele Jahre später noch unermüdlich nach Gerechtigkeit für die 8000 Unschuldigen suchen, die ihr Leben verloren haben".

Statements heimischer Politiker

Auch in Österreich erinnerten Politiker an das Massaker vor 25 Jahren. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) betonte, "der Völkermord von Srebrenica" sei "das schlimmste Verbrechen in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs" gewesen. "Der Völkermord an tausenden Bosniaken bleibt ein dunkler Fleck in der europäischen Geschichte", so der Minister am Samstag in einer Aussendung. "Heute erinnern wir uns an die tausenden unschuldigen Opfer und sind in Gedanken bei ihren Angehörigen."

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) erinnerte daran, dass Srebrenica "eine Wunde in vielen Familien der über 8.000 bosnischen Muslime, die in den Julitagen vor 25 Jahren grausam ermordet wurden", sei. "Es ist auch eine Wunde in der europäischen Geschichte, die noch nicht verheilt ist", so Sobotka.

"Wir haben die moralische und humanitäre Verpflichtung, uns immer an den schrecklichen Genozid zu erinnern und der Opfer von Srebrenica zu gedenken", hielt SPÖ-Europasprecher Jörg Leichtfried fest. "Srebrenica ist die offene Wunde in unserer europäischen Geschichte. Solange wir ignorieren, welche Herausforderungen die Bevölkerung bewältigen muss, solang das nicht Einzug in unsere Geschichtsbücher und unseren Alltag erhält, solange wir uns nicht selbstkritisch mit der Rolle der Europäischen Union befassen, solange wir weiterhin nicht hinschauen, solange wird diese Wunde auch nicht verheilen können", betonte SPÖ-Integrationssprecherin Nurten Yilmaz in einer gemeinsamen Aussendung. In Wien war für Samstagabend ein Friedensmarsch zum Gedenken an Srebrenica geplant.

"Ohne Gerechtigkeit gibt es keinen Frieden"

Die Vorsitzende des Opferverbandes Mütter von Srebenica, Munira Subacic, forderte bei der Gedenkfeier Gesetze in Bosnien, die die Leugnung des Völkermords unter Strafe stellen. "Ohne Wahrheit und Gerechtigkeit gibt es keinen Frieden", sagte sie.

Der internationale Bosnien-Beauftragte Valentin Inzko dankte laut einer Aussendung den Müttern von Srebrenica als denjenigen, die sich am meisten für das Streben nach Wahrheit und Gerechtigkeit eingesetzt hätten. "Die Mütter von Srebrenica verdienen unsere Bewunderung und unseren Respekt", betonte der österreichische Diplomat. Er appellierte zudem an die Politiker, ihr Kriegsbeil zu begraben und Weisheit und Mut zu zeigen, um die Menschen Bosnien-Herzegowinas in die Zukunft zu führen. "Nach 25 Jahren ist es an der Zeit, nach vorne zu blicken, die Vergangenheit den Historikern zu überlassen, mit der diese sich respektvoll auseinandersetzen müssen, und sich auf die Gegenwart und die Zukunft zu konzentrieren". Srebrenica sollte immer ein "universeller Ort des Gedenkens, ein Ort des 'nie wieder'" bleiben, so Inzko. "Srebrenica könnte auch ein Ort sein, der uns die Macht der Vergebung vor Augen führt, ein Ort, der zeigt, dass durch Vergebung die ganze Menschheit gewinnt."

Kriegsverbrechen

Am 11. Juli 1995 ereignete sich in und um Srebrenica das schlimmste Kriegsverbrechen auf europäischem Boden seit 1945. Unter Führung des Generals Ratko Mladic marschierten bosnisch-serbische Milizen in die UNO-Schutzzone ein und ermordeten innerhalb weniger Tage mehr als 8.000 muslimische Buben und Männer, die hier mit ihren Familien Zuflucht gefunden hatten. Bisher wurden die sterblichen Überreste von knapp 6.900 Opfern des Massakers gefunden und identifiziert. Zahlreiche weitere Familien wissen bis heute nicht, wo ihre ermordeten Angehörigen sind.

Das UNO-Kriegsverbrechertribunal für Ex-Jugoslawien in Den Haag stufte das Massaker von Srebrenica als Völkermord ein. Viele Vertreter der serbischen Seite lehnen diese Bewertung bis heute ab. Viele Serben verehren Mladic, der vom UNO-Kriegsverbrechertribunal für Ex-Jugoslawien wegen Kriegsverbrechen zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde, nach wie vor. Zu lebenslanger Haft verurteilt wurde in Den Haag auch der ehemalige bosnische Serbenführer Radovan Karadzic. (APA, dpa, Reuters, 11.7.2020)